Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

392 Streit über die Heeresreform in Preußen. 1861 
reichend für das nationale Bedürfniß, welches eine Gesammt- 
reform der Bundesverfassung unter Erlangung der dem 
preußischen Staate gebührenden Stellung erheische. Schleinitz, 
wohl wissend, daß der König vor der Sicherung der Heeres- 
reform zu solchen Schritten sich nicht entschließen würde, er- 
klärte, daß der Antrag weit über den jetzigen Standpunkt 
der Regierung hinausgehe, erzielte aber nur die Wirkung, die 
Abneigung des Hauses gegen die Heeresreform zu steigern. Denn, 
sagten die Liberalen, einem Ministerium, das zu einem kräftigen 
Schritt in der großen nationalen Sache ohne Nerv und Muth 
ist, mehr als 100000 Soldaten und viele Millionen Zulage 
zum Kriegsbudget zu bewilligen, liegt kein Grund vor. Möge 
Herr von Schleinitz fortfahren, Depeschen zu schreiben; weiter 
wird er es doch nicht bringen, und dazu bedarf er weder 
Geld noch Soldaten. 
Was nun die Heeresreform selbst betraf, so hatte die 
Regierung, dem einmal eingenommenen Standpunkt entsprechend, 
kein Gesetz über die Dienstpflicht vorgelegt, sondern die Neu- 
gestaltung des Heeres nur in den betreffenden, jetzt nicht um 
9½, sondern nur um 8 Millionen erhöhten Positionen des 
Etats zur Anschauung gebracht. Die Herren von Patow und 
von Roon thaten das Mögliche, die Ausführung der Heeres- 
reform auf Grund der bestehenden Gesetze zu rechtfertigen. Aber 
unauslöschlich haftete der Argwohn planmäßiger Täuschung 
in den Gemüthern. Alles sei provisorisch, habe Patow ge- 
sagt, Alles widerruflich: jetzt werde Alles für definitiv und 
unabänderlich erklärt. Eine Gruppe von etwa fünfzig Mit- 
gliedern unter Waldeck's Führung war der Meinung, sämmt- 
liche Mehrkosten der neuen Formationen zu streichen, und 
dann abzuwarten, was die Regierung bieten würde. So weit
	        
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