Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

402 Conflicte auf allen Seiten. 1861 
einer starken deutschen Centralgewalt bekannte, welche von dem 
König von Preußen geführt werden und einem aus Volkswahlen 
hervorgegangenen Parlamente durch ihre Minister verantwort- 
lichsein müsse, im Großen und Ganzen also einer Verfassung, 
ähnlich dem Entwurfe des Dreikönigsbündnisses vom 26. Mai 
1849, ähnlich auch darin, daß der Eintritt in den neben 
Osterreich aufzurichtenden engern Bund dem freien Ermessen 
jeder einzelnen Regierung anheim gestellt wurde. Roggenbach 
erklärte sich bereit, diesen Vorschlag, sei es als Circularschreiben 
bei den Höfen, sei es als Antrag am Bundestage einzubringen, 
wenn er dabei der Zustimmung Preußens sicher sei. 
Herr von Schleinitz hatte große Bedenken. Vor allen 
Dingen hob er hervor, daß von einer preußischen Initiative 
in dieser Sache keine Rede sein dürfe. Dann aber sei nicht 
abzusehen, wie ein solcher doppelter Regierungsapparat: Reichs- 
minister, die dem Parlament, preußische Minister, die dem 
Landtag verantwortlich wären, ohne Streit und Reibung 
arbeiten sollte; unmöglich könne der preußische Staat sich ohne 
Verbürgung seiner Selbständigkeit unbedingt der Leitung durch 
ein deutsches Parlament unterwerfen. Ehe man über den Plan 
sich äußere, müßten alle diese Fragen gründlich erörtert werden. 
Graf Bernstorff stimmte in manchen Einzelheiten der Kritik 
des Ministers zu, zeigte sich jedoch den Grundgedanken des 
Planes geneigter als jener. Noch entgegenkommender sprach 
sich der König aus, und man gelangte endlich zu der Abrede, 
daß Roggenbach eine nähere Ausarbeitung seines Systems 
demnächst in Berlin zur schließlichen Prüfung vorlegen würde. 
Während dieser Gährung der deutschen Fragen hatte gleich- 
zeitig in Preußen die innere Zersetzung bedenkliche Fortschritte 
gemacht.
	        
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