Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

1861 Frage der Erbhuldigung in Preußen. 403 
Jene Vorstellung Roon's, für die Neugestaltung des 
Heeres als unpolitischer Fachminister wirken zu können, hatte 
sehr bald in der rauhen Wirklichkeit zerrinnen müssen. Er sah 
die Heeresreform durch eine stets wachsende Opposition bedroht 
und die Mehrzahl seiner Collegen von der Vorstellung beherrscht, 
die Neigung der liberalen Mehrheit durch weitere liberale 
Concessionen zu gewinnen. Ihm schien daraus nur eine 
Stärkung und Ermuthigung der Gegner seines Lebenswerks 
zu folgen, und so erhob er sich zu kräftigem Widerspruch, 
und setzte mehr als einmal bei dem Könige die Ablehnung 
der von Schwerin vorgeschlagenen Gesetzentwürfe durch. So 
wurde er, halb wider Willen, wofür ihn die Liberalen von 
Anfang an gehalten, der Keil zur Sprengung des liberalen 
Ministeriums. Mehrmals bot er wegen dieses Zwiespalts 
dem Könige seine Entlassung an, und als sie stets mit Ent- 
schiedenheit abgelehnt wurde, entschloß er sich, seinerseits auf 
die Umgestaltung des Ministerraths im conservativen Sinne 
hinzuwirken. Den Anlaß bot die Forderung des Königs, 
nach altem Brauche die feierliche Erbhuldigung seines Volks 
entgegen zu nehmen, welche Ceremonie die liberalen Minister 
mit der Verfassung nicht im Einklang fanden. Roon war 
in seinem royalistischen Herzen empört über solche staatsrecht- 
liche Spitzfindigkeiten, und erlangte von dem ebenfalls erzürnten 
Könige die Erlaubniß, Erkundigungen über etwaige Nachfolger 
der liberalen Minister einzuziehen. Er wandte sich in erster 
Linie an Bismarck, mit dem er seit langen Jahren befreundet 
war, und dessen mächtigen Geist er vollkommen würdigte. 
Bismarck aber fand, daß die Frage der Erbhuldigung als 
Anlaß einer Ministerkrisis übel gewählt sei; auch könne er 
nur dann in das Ministerium eintreten, wenn der König mit 
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