436 Verfassungsstreit in Berlin und Frankfurt. 1862
Minister von constitutioneller Pflicht entbinden. Willisen
stimmte zu, betonte aber, der Antrag gehe zunächst auf
Zurücknahme der Verordnung vom 26. April, welche durch
die Verfassung nicht vorgeschrieben sei. Der Kurfürst, äußerst
gereizt, brach los: sehr sonderbar, daß der König von Preußen
solche Schritte in einem anderen Lande kritisiren will, wird
aber in seinem eigenen Lande bald viel Schlimmeres thun
müssen. Bei diesen Worten fiel Abée schleunig ein, und
lieferte eine lange Rechtfertigung der Verordnung, was
Willisen kurz ablehnte, und sich dann wieder an den Kur-
fürsten wandte: er möge ihn nicht mit einem bestimmten
Nein entlassen; morgen würden seine sämmtlichen Bundes-
genossen dieselbe Mahnung an ihn richten. Der Kurfürst
machte eine abweisende Kopfbewegung; Willisen fuhr fort,
dann müsse er die Absicht Sr. Moajestät erklären, den diplo-
matischen Verkehr abzubrechen. Der Kurfürst schloß das
Gespräch: ich kann den König nicht hindern, aber es ist doch
ein sonderbares Verfahren, Gesandte abberufen, weil in innern
Fragen im Nachbarland nicht Alles geschieht, was man vor-
schreibt.
Von einem Ministerwechsel war natürlich keine Rede weiter.
Am 13. Mai nahm darauf der Bundestag das Inhibi-
torium an, da sich aber hienach an der Haltung des Kur-
fürsten nichts änderte, befahl König Wilhelm für das west-
fälische und magdeburgische Armeekorps auf den 23. die
Marschbereitschaft, und Sydow forderte am 18. unter An-
drohung des Bruches, als Genugthuung für den beleidigenden
Empfang des Generals von Willisen und die formelle Nicht-
beachtung des königlichen Handschreibens, die sofortige Ent-
lassung der hessischen Minister. Es ist nicht zu verkennen,