442 Verfassungsstreit in Berlin und Frankfurt. 1862
Es war hier noch keine Rede von einem Rechtstitel oder
einem Proteste, aber deutlich genug war die bevorstehende
Bekämpfung des französischen Vertrags und der liberalen
Tarifrevision durch Osterreich angekündigt. Was dann folgen
würde, ließ sich leicht ermessen: Aufregung der in Süddeutsch-
land immerhin zahlreichen Schutzzöllner und Einwirkung auf
die mit Osterreich sonst verbündeten Mittelstaaten. Es war
der alte Gegensatz, wie bisher auf dem politischen, so jetzt
auch auf dem commerciellen Felde: es galt den Kampf um
die Forderung, daß Deutschland auf eine heilsame Verbesse-
rung seiner Zustände verzichten müsse, so lange Osterreich
nicht in der Lage zu sein glaube, daran Theil zu nehmen.
Preußen entschloß sich, fest und rasch Stellung zu nehmen.
Bernstorff knüpfte die unterbrochene Verhandlung mit Frank-
reich wieder an; es zeigte sich unter der neuen Conjunctur
sogleich, daß das Pariser Cabinet es bei seinem Feilschen
nicht so böse gemeint hatte; beide Theile arbeiteten sich jetzt
mit gegenseitigen Einräumungen in die Hände, und am
29. März 1862 wurde in Berlin der Vertrag fertig gestellt
und paraphirt. Er wurde dann nach vier Tagen den ver-
bündeten Staaten, sowie dem Wiener Hofe mitgetheilt.
Die Bewegung, welche das überraschende Ereigniß in
ganz Deutschland hervorrief, war groß. Osterreich säumte
nicht, in voller Rüstung den diplomatischen Angriff zu er-
öffnen. In einer Denkschrift vom 7. Mai erklärte Graf
Rechberg, der Zweck des Vertrags von 1853 sei die Vor-
bereitung einer großen deutsch-österreichischen Zolleinigung
gewesen, durch Begünstigung des beiderseitigen Verkehrs ver-
mittelst niedrigerer Eingangszölle, als sie von Waaren anderer
Nationen erhoben würden; der neue französische Vertrag