Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

446 Verfassungsstreit in Berlin und Frankfurt. 1862 
solche Wirkung geübt, daß das preußische Zugeständniß keine 
Beachtung mehr fand. Die Mittelstaaten, mit Ausnahme 
von Sachsen, so wie beide Hessen und Nassau, lehnten jetzt 
den Beitritt zum französischen Vertrage kategorisch ab, theils 
nach schutzzöllnerischen Auffassungen, theils aus Rücksicht auf 
die Zolleinigung mit Osterreich und den Vertrag von 1853. 
Zugleich erhielt Preußen am 7. August die Nachricht, daß 
die Wiener Conferenz den österreichischen Vorschlag auf Be- 
rufung einer Delegirtenversammlung angenommen habe, und 
am 14., daß er als Antrag der acht betheiligten Staaten 
beim Bundestag eingebracht sei. Graf Bernstorff wiederholte 
darauf seinen Protest gegen jeden Mehrheitsbeschluß in dieser 
Sache, und erklärte, auch Deutschlands Landesvertretungen 
würden dies Delegirtenproject mit Unwillen zurückweisen; 
die Nation begehre eine gekräftigte Executivgewalt und eine 
wahre National-Repräsentation; beides aber sei auf dem hier 
eingeschlagenen Wege nicht zu erreichen. Am 26. August 
erging dann eine preußische Antwort an Bayern und Württem- 
berg, daß man eine definitive Ablehnung des französischen 
Vertrags als den Ausdruck des Willens auffassen müsse, den 
Zollverein mit Preußen nicht fortzusetzen. Das Haus der 
Abgeordneten sprach am 5. September mit 233 gegen 
26 Stimmen seine volle Billigung dieser Erklärung aus. 
So standen die beiden Parteien in geschlossenen Lagern, 
wie sehr auch Baden auf der einen und Sachsen auf der 
andern Seite zu vermitteln strebten, sich gegenüber. Nicht 
gerade gefährlich, wenn auch viele reizbare Gefühle verletzend, 
war der handelspolitische Streit, denn die jetzigen Zollvereins- 
Verträge dauerten noch bis Ende 1865, und bis dahin 
konnten die Leidenschaften in zahlreichen Besprechungen und
	        
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