Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

1862 Preußens europäische Stellung. 449 
Endlich mit Italien waren alle frühern Mißklänge durch 
die von Preußen vollzogene Anerkennung des Königreichs 
aufgelöst. Es war noch keine Rede von näherer Anknüpfung 
zwischen beiden Höfen, aber die ganze Welt war überzeugt 
davon, daß im ersten Augenblick eines Bruches zwischen 
Osterreich und Preußen das italienische Heer sich auf Venetien 
stürzen würde. 
So sah sich das preußische Cabinet auf dem ganzen 
Continent von dem Wohlwollen und der Sympathie der 
außerdeutschen Mächte umgeben. Seine einzigen Gegner be- 
fanden sich auf deutschem, und leider, wie jetzt zu erzählen 
ist, auch auf preußischem Boden. 
In den vorausgehenden Abschnitten ist dargelegt worden, 
aus wie mannigfaltigen Quellen die allmählich steigende 
Abneigung gegen König Wilhelm's Heeresreform bei der 
großen Mehrheit des preußischen Volkes heranwuchs — zunächst 
dem Wunsche nach Erleichterung der Militär= und der Steuer- 
last, romantischen Erinnerungen an die Glorie der Landwehr 
von 1813, Widerwillen gegen die Bevorzugung des Adels 
in manchen Officiercorps — sodann der allgemeinen Über- 
zeugung nach dem Verhalten des auswärtigen Amts, daß 
diese Regierung ebenso wie die Friedrich Wilhelm's IV. sich 
niemals zu einer muthigen Kriegspolitik erheben, also auch 
niemals einer so schwer drückenden Rüstung bedürfen würde — 
endlich der unklaren Halbheit in der parlamentarischen Be- 
handlung der Reform, dem Hinüberschleppen doppeldeutiger 
Provisorien aus einer Landtagssession in die andere, bis weit 
und breit im Volke der unselige Wahn einer planmäßigen 
Täuschung des Landtags durch die Minister vorhanden war. 
Auf dem so bereiteten Boden fand dann die in neuer 
v. Sybel, Begründung d. deutschen Reiches II. 29
	        
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