1857 Napoleon's Sympathien für Polen. 471
Polens durch französische Waffen, also von der Herstellung
eines unabhängigen Polen, keine Rede für ihn sein. Indessen
gab er sein Interesse für das unglückliche Volk niemals auf
und suchte, wenn nicht mit dem Schwert für dessen Freiheit,
so doch durch diplomatische Schritte für eine Verbesserung
der inneren polnischen Zustände zu wirken. Als er 1857
mit Alexander II. in Stuttgart zusammentraf, stellte er diesem
vor, es gäbe sonst kein Moment, welches eine Gefahr für
ihre Eintracht in sich schlösse; die einzige Frage, welche bei
der Stimmung des französischen Volkes eine Störung veran-
lassen könne, sei die polnische; wolle also Kaiser Alexander
das gute Verhältniß sicher stellen, so müsse er in seinen Con-
cessionen an Polen so weit gehen, wie es mit den Interessen
Rußlands irgend verträglich sei. Alexander, wohl der mildeste
und menschenfreundlichste Herrscher, der jemals auf dem russi-
schen Throne gesessen, entgegnete, daß ein solches Verfahren
längst sein eigener Herzenswunsch gewesen, und so trennten
sich die beiden Souveräne im besten Einvernehmen. Noch ent-
schiedener als der Zar war der Leiter der auswärtigen An-
gelegenheiten, der Vicekanzler Fürst Gortschakoff, von dem
Streben nach vertrauter Freundschaft mit Frankreich erfüllt.
Schon in jungen Jahren, als russischer Geschäftsträger in
Stuttgart,. hatte der lebhafte, ehrgeizige und leicht erregbare
Diplomat den Gedanken erfaßt, daß Rußland, wenn es sich
auf eine französische Allianz stützen könne, die erste Stelle in
Europa einnehmen würde; jetzt nach dem Krimkrieg lebte und
webte seine Seele in dem Wunsche, die dort erlittenen Ein-
bußen möglichst bald wieder gut zu machen, den russischen
Einfluß im Orient herzustellen und vor Allem die schmähliche
Clausel des Pariser Friedens zu tilgen, welche russische Kriegs-