Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

1861 Straßenkampf. 481 
der Bauernfrage, auf Reform des höhern Unterrichts, insbe- 
sondere Wiedereröffnung der Warschauer Universität, und auf 
bürgerliche Gleichstellung der Juden, die er unter den pol- 
nischen Verhältnissen als den wichtigsten Schritt zur Ver- 
stärkung des bis dahin nur kümmerlich vegetirenden Bürger— 
standes erachtete. 
Die Mitglieder des Ausschusses schwankten. Der Sache 
nach waren es ihre eigenen Wünsche, die Wielopolski vortrug. 
Aber ihr Gefühl sträubte sich, dem fremden Zaren Treue und 
Gehorsam anzugeloben, von seiner Gnade zu erbetteln, was 
sie für ihr eigenes Recht hielten, die Revolution von 1831 
zu verläugnen, mit einem Worte, eine Petition zu unter- 
zeichnen, die an sich selbst die Anerkennung des bestehenden 
Zustandes in sich schloß. Sie beriethen mit ihren Freunden; 
immer ungünstiger wurde die Stimmung gegen den Marquis; 
die Radicalen aber trauten nicht, und beschlossen, den Sühn- 
versuch in Blutvergießen zu ersticken. Einst, am 25. Februar 
1831, hatten die Polen den Russen die Schlacht bei Grochow 
geliefert, eine Niederlage erlitten, aber tapfer gekämpft. Das 
geheime Comité ordnete nun eine große kirchliche Feier des 
Jahrestages an; sie begann mit einem Gottesdienst in allen 
Kirchen, an den sich eine colossale Procession mit allem 
priesterlichem Pompe, aber auch mit polnischen Fahnen, 
Wappenschildern und Fackeln anschloß; ein unabsehbarer 
Zusammenfluß von Menschen erfolgte; bald gab es Stockung, 
Störung des Verkehrs, Händel mit der Polizei: zuletzt trieb 
die bewaffnete Macht durch langsames Vorgehen der Reiterei 
die Massen auseinander. Am 27. Februar erneuerte sich die 
Zusammenrottung; als die Kosaken dieses Mal brutaler auf- 
traten und auch die anwesenden Priester mißhandelten, wälzte 
v. Sybel, Begründung d. deutschen Reiches. II. 31
	        
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