Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

494 Polnische Wirren. 1862 
Stellungen brachte. Die in allen Provinzen sich steigernden 
Hetzereien des Klerus ließ er für's Erste unbeachtet; wohl 
aber war er entschlossen, die Hydra der Revolution in ihrer 
tiefsten Höhle mit einem, wie er glaubte, zermalmenden Griffe 
zu packen. Gegen die Mordgesellen, welche mit Gift und 
Dolch den polnischen Namen schändeten, schien ihm jedes 
Mittel, wenn es nur wirksam wäre, verstattet zu sein. 
Seit dem Ende des Krimkriegs hatte die russische 
Armee keine Recrutirung vorgenommen, so daß alle Truppen- 
körper kaum noch die Hälfte des gesetzlichen Friedensstandes 
zählten. Außer der Garde (30000 Mann) und den oren- 
burgischen und kaukasischen Truppen (150000 Mann) hatten 
die europäischen Garnisonen etwas mehr als 180 000 Mann 
unter der Fahne, von welchen bei der drohenden Haltung 
der Polen 60 000 Mann im Königreich, und ebenso viele in 
den ehemals polnischen Westprovinzen Rußlands standen. 
Nichts war natürlicher, als daß die Regierung einmal wieder 
an die Ausfüllung der Lücken durch junge Mannschaft dachte, 
und schon im Juni hatte der neue Kriegsminister Miliutin 
dem Marquis Wielopolski die Nothwendigkeit einer solchen 
Maaßregel angekündigt. Nun war im Jahre 1859 ein Ukas 
ergangen, welcher die Conscription durch das Loos unter 
allen dienstpflichtigen Classen der Bevölkerung anordnete, war 
bisher aber noch niemals zur Anwendung gekommen. Wielo- 
polski., durch die Reihe der Mordversuche und die Proclamation 
des 1. Septembers auf den höchsten Grad concentrirter Ent- 
rüstung gesteigert, faßte jetzt den Gedanken, für Polen bei 
der Recrutirung nach der alten Satzung zu verfahren, welche 
der Behörde freie Auswahl unter den Dienstpflichtigen zuließ, 
und dadurch mit einem Schlage, wenn nicht die ganze revo-
	        
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