Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

1863 Entwurf eines russisch-preußischen Vertrags. 507 
Jc schmerzlicher der weiche Sinn des Monarchen den gegen 
ihn entfesselten Sturm empfand, desto erquicklicher war ihm 
das Erscheinen dieser Botschaft treuer Freundesgesinnung. 
Von ganzem Herzen schlug er in die Hand des Bundes- 
genossen ein: für seine Lebenszeit war die panflavistische Ver- 
brüderung zwischen Polen und Russen nicht mehr zu befahren. 
Im Ubrigen fand Alvensleben, daß Wielopolski auch bei dem 
Kaiser noch in Gnaden stehe: Alexander sprach mit Theil- 
nahme und Entrüstung von zwei neuen Vergiftungsversuchen 
gegen den tüchtigen Mann. Auch sonst, meldete Alvensleben, 
habe hier der Marquis eine starke Partci; im russischen Volke 
sei die Stimmung getheilt, auf der einen Seite wüthender 
Haß gegen die polnischen Meuchelmörder, auf der andern die 
Meinung, daß Rußland an der Beherrschung Polens durch 
das Haus Gottorp nicht das geringste Interesse habe. Un- 
erschüttert aber blieb der Kaiser auf seinem Standpunkt, die 
Rebellion möglichst rasch zu unterdrücken, und dann das 
Land möglichst gut zu verwalten. Auf seinen Besehl machte 
Gortschakoff dem preußischen General den Vorschlag, die er- 
forderlichen Maaßregeln in einer schriftlichen Convention oder 
Purnctation festzustellen. Alvensleben hatte allerdings dafür 
weder Auftrag noch Vollmacht, sah aber bei der Einfachheit 
der Sache auch keinen Grund, sich dem Wunsche des Vice- 
kanzlers zu entziehen, und sandte am 6. Februar den Ent- 
wurf ciner solchen Punctation nach Berlin. Er lautete da- 
hin, daß auf Ersuchen des russischen oder des preußischen 
Oberbefehlshabers oder der beiderseitigen Grenzbehörden die 
beiderseitigen Truppenführer bevollmächtigt werden, sich gegen- 
seitig Hülfe zu leisten, und nöthigesfalls auch die Grenze zu 
überschreiten, zur Verfolgung der Rebellen, die aus dem einen
	        
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