Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

1863 Frankreich tritt Englands Vorgehen bei. 523 
richtenden Action festzuhalten. Napoleon schwankte eine 
Weile; plötzlich aber wurde die politische Welt durch eine 
Reise des österreichischen Gesandten in Paris, des Fürsten 
Metternich, nach Wien, überrascht, wo er am 14. März an— 
langte und eine Woche lang in lebhaften Verhandlungen 
mit dem Kaiser und dem Grafen Rechberg verweilte. Der 
Inhalt derselben ist bisher nicht authentisch bekannt geworden; 
damals wirbelten mannigfaltige Gerüchte durch einander: 
Nopoleon biete Osterreich seine Allianz und die Erwerbung 
Schlesiens und Rumäniens gegen die Abtretung Venetiens; 
nach anderen Quellen hätte Napoleon die Freigebung Gali- 
ziens gewünscht, und dafür die Erwerbung Rumäniens und 
die Garantie Venetiens zugesagt; der russische Kaiser aber 
erhielt Angaben, für ein Zusammengehen Osterreichs mit den 
Westmächten gegen Rußland werde jenem eine verstärkte 
Stellung in Deutschland und Landerwerb im Orient verheißen. 
Dagegen meldete aus Wien der preußische Gesandte, Herr von 
Werther, er habe vom Grafen Rechberg die ausdrückliche Ver- 
sicherung erhalten, Metternich sei nur zu gegenseitiger In- 
formation nach Wien berufen worden, von französischen Vor- 
schlägen, die er mitgebracht haben solle, sei gar keine Rede; 
Osterreich werde in seiner Stellung zu der polnischen Sache 
nicht wanken, und wolle von einem unabhängigen Polen 
nichts wissen ½). 
In der That hatte die österreichische Regierung Gründe 
genug zu einer solchen Zurückhaltung. Nach dem Bestande 
ihres Reiches mußte ihr jede Anrufung des Nationalitäts- 
princips als eine Gefahr erscheinen; bei einer Erhebung des 
polnischen Volkes wurde ihr Besitz Galiziens unsicher; ein 
1) Werther, 18. März.
	        
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