524 Preußen und Rußland. 1863
Zusammenhang der polnischen und der ungarischen Revolutions-
partei war nur zu wahrscheinlich, Napoleon's Verhalten aber
in solchen Fällen unberechenbar. Auf der andern Seite drängte
England immer nachdrücklicher: für beide Höfe gebe es keine
größere Gefahr, als die Verwirklichung des seit 1857
drohenden russisch-französischen Bundes; jetzt erscheine, wie
vom Himmel gesandt, die polnische Frage und Napoleon's
Sympathie für dieselbe; sein Bruch mit Rußland sei un-
widerruflich, wenn er sich zu einem Vorgehen für Polen ent-
schließe, und dazu sei er bereit, wenn Osterreich an demselben
Theil nehme. Ende März kam dann aus Paris die amtliche
Aufforderung zu einem gemeinschaftlichen Schritt in Peters-
burg zu Gunsten Polens nach London und Wien.
Was war zu thun? Auch das Verhältniß zu Preußen
zeigte dem Grafen Rechberg in diesem Augenblicke zugleich
anziehende und abstoßende Momente, wodurch die Entschließung
natürlich nicht erleichtert wurde. Die Ablehnung der gegen
Preußen zu richtenden identischen Note Napoleon's durch
Osterreich war in Berlin mit aufrichtigem Danke anerkannt
worden; Bismarck sprach dem Grafen Karolyi wiederholt die
Befriedigung über SÖsterreichs feste und correcte Haltung aus,
und erklärte durch einen ausführlichen Erlaß an Werther
dem Wiener Hofe die gleiche Stimmung des Königs. Nach-
dem Werther die Depesche dem österreichischen Minister vor-
gelesen, konnte er am 28. März die lebhafte Genugthuung
berichten, mit welcher Rechberg die Mittheilung aufgenommen.
Alles deutete darauf, daß das gemeinschaftliche Interesse der
beiden Höfe an der polnischen Sache eine allgemeine An-
näherung herbeiführen würde. Aber ein neuer Vorgang auf
dem handelspolitischen Gebiet tilgte mit einem Schlage alle