Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

526 Preußen und Rußland. 1863 
verkannte das Gewicht der Gegengründe nicht, meinte aber, 
gerade als Theilnehmer an der westmächtlichen Action werde 
er am besten für den Frieden und für glimpfliches Ver- 
fahren wirken können. Er eröffnete demnach den Westmächten, 
daß er zwar die grobe Form identischer Noten ablehne, sich 
-ebenso wenig auf die von Rußland nicht verletzten Verträge 
von 1815 berufen werde, wohl aber bereit sei, durch eine 
gleichzeitige Note die Forderungen der Westmächte zu unter- 
stützen. In Paris und London war man damit einverstanden, 
und so gingen am 10. und 12. April die drei Noten nach 
Petersburg ab. Österreich klagte in der seinigen nur über 
schädliche Nückwirkung der polnischen Anarchie auf Galizien, und 
bat demnach den Kaiser, daß er seinen polnischen Provinzen 
die Bedingungen eines dauerhaften Friedens gewähren möge. 
England sprach aus schärferem Tone, erklärte, daß Rußlands 
Verpflichtungen gegen die Congreßmächte von 1815 durch 
die poluische Revolution von 1830 nicht erloschen seien, 
Großbritannien mithin ein Recht habe, die Erfüllung jener 
Pflichten, also die Herstellung der Verfassung von 1815, zu 
begehren. Frankreich redete von den stets wiederkehrenden 
Zuckungen in Polen, welche ganz Europa nicht zur Ruhe 
kommen ließen; die russische Regierung möge endlich Polen 
die Bedingungen eines dauerhaften Friedens gewähren, da 
alle bisherigen Verfassungsversuche mißlungen seien. Das 
hieß, die Verfassung von 1815 ebenso wie Wielopolski's 
autonome Verwaltung als ungenügend verurtheilen und im 
Grunde die völlige Unabhängigkeit Polens als die einzig 
ausreichende Lösung bezeichnen. Graf Rechberg hatte der- 
gleichen weder gesagt noch gedacht, immer aber durch seine 
Theilnahme an der Notensendung unterstützt: wie lebhaft er
	        
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