532 Preußen und Nußland. 1863
verhehlen, daß die entsetzliche europäische Krisis im Anfang
des Jahrhunderts uns seit zehn Jahren unter andern Formen,
Namen und Mitteln auf's Neue bedroht.“ Er schloß mit der
Bemerkung, der Oberst von Loen werde den Inhalt des Briefs
mündlich vervollständigen durch Alles, was er von ihm, dem
Kaiser, gehört habe.
Der nächste Wunsch Alexander's war also, daß Preußen
versuche, Osterreich aus der gefährlichen Verbindung mit den
Westmächten zu lösen und zu den alten conservativen Ge-
nossen herüber zu ziehen, worauf dann Napoleon schwerlich
einen Krieg wagen würde. Bliebe aber Osterreich in der
bisherigen Haltung, so schien dem Kaiser die Offensive
Frankreichs gewiß, und dann konnte sich der Gedanke auf-
drängen, daß Rußland und Preußen gemeinsam, um sich
den Rücken zu decken, über das völlig ungerüstete Osterreich
hereinbrechen müßten, um es vor jeder Möglichkeit französi-
scher Hülfe zu überwältigen, und dann am Rheine den
französischen Strauß siegreich auszufechten.
Ein solches Verfahren zeigte für Preußen verlockende
Seiten: nach einer Niederlage Österreichs hätte man in
Deutschland freie Hand, und auch von dem innern Hader
über die Heeresreform wäre keine Rede mehr. Andrerseits
aber waren auch die gewichtigsten Bedenken unverkennbar.
Es konnte keinem Zweifel unterliegen, daß Frankreich mit
aller Macht so rasch wie möglich in den Kampf eintreten
würde; nach aller Wahrscheinlichkeit hätte dann Preußen die
größte Last desselben zu tragen, und schließlich einen Frieden
auf sich zu nehmen, wie er zwischen Frankreich und Rußland
vielleicht ganz nach Gortschakoff's alter Gesinnung vereinbart
würde. In diesem Falle, sagte Bismarck, würde Rußland