Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

538 Preußen und Rußland. 1863 
in die speciellsten Fragen der Landesverwaltung eindrängen, 
durch eine auswärtige Conferenz als Gesetz vorschreiben zu 
lassen. Jedesfalls müsse einer solchen eine Verständigung 
zwischen den drei Theilungsmächten vorausgehen, da diese 
durch die ähnlichen Verhältnisse in ihren polnischen Provinzen 
vor allen Andern sachverständig seien. Überhaupt aber könne 
von solchen Concessionen und Verhandlungen erst nach voll- 
ständiger Unterwerfung der Rebellion und Herstellung der 
Ordnung die Rede sein. Daß bei dem Zustand des Landes 
ein Waffenstillstand ein Ding der Unmöglichkeit sei, werde 
jeder Kenner der Verhältnisse bezeugen. 
Bei diesen Anschauungen konnte die russische Antwort 
auf die drei Noten nur eine Ablehnung in allen Punkten 
sein, und danach wie im April ein feindlicher Angriff sehr 
möglich erscheinen. Es liegt auf der Hand, daß unter solchen 
Verhältnissen der Brief König Wilhelm's, in welchem dieser 
sich freien Entschluß für alle Fälle vorbehielt, und auf das 
Dringendste zur Verständigung mit Osterreich mahnte, dem 
Zaren geringe Freude bereitete. Seine Stimmung gegen den 
Wiener Hof wurde jedoch für den Augenblick durch einen 
Bericht seines dortigen Gesandten, Balabin, gemildert, worin 
dieser die erfreuliche Meldung machte, Osterreich sei bereit zu 
einer Übereinkunft der drei Theilungsmächte über Verwaltungs- 
reformen ihrer polnischen Provinzen. Damit wäre also das 
ersehnte Ziel erreicht, Osterreich hätte den Westmächten den 
Rücken gekehrt und den alten Bund der heiligen Allianz er- 
neuert. Freicres Herzens entwarf jetzt Gortschakoff seine 
Antworten auf die drei Noten. In den für Paris und London 
bestimmten Schriftstücken gab er dem immer stärker aufbrausen- 
den Unwillen des Hofes, des Volkes und der Armee in scharf
	        
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