Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

548 Der Frankfurter Fürstentag. 1863 
es aber nach Mehrheitsbeschlüssen zu handeln berechtigt sein, so 
könnte Preußen nimmermehr seine Selbständigkeit und seine 
Gesetzgebung den Verfügungen von drei Stimmen unter fünf 
unterordnen. Berathende Delegationen seien absolut bedeu- 
tungslos; Preußen bleibe bei der frühern Erklärung, daß es 
eine Ausdehnung der Bundesgewalt nur dann genehmigen 
könne, wenn zu deren Beschlüssen die Zustimmung eines aus 
Volkswahlen hervorgegangenen Parlaments erforderlich sei. 
Bei der Mittheilung dieser Depeschen an den Bundes- 
tagsgesandten von Sydow, der Ende 1862 an Usedom's 
Stelle getreten war, schrieb Bismarck: „ich betrachte das 
österreichische Reformproject als eine Schaumwelle, mit welcher 
Schmerling mehr noch ein Manöver der innern österreichischen 
Politik, als einen Schachzug antipreußischer Diplomatie be- 
absichtigt. Er arrangirt dem Kaiser eine glänzende Geburts- 
tagsfeier mit weißgekleideten Fürsten, und fingirt ihm Erfolge 
der constitutionellen Aera Österreichs. Von dem Dampf der 
Phrasen entkleidet, ist des Pudels Kern ein so dürftiger, 
daß man dem Volke lieber nicht praktisch vordemonstriren 
sollte, wie nicht einmal das zu Stande kommt ... Einen 
Einfluß auf die Verhandlungen zu erhalten, empfiehlt sich 
jetzt noch nicht; wir müssen die Weisheit der Reformen sich 
erst ungestört offenbaren lassen."“ 
Während nun in denselben Tagen die Reformacte in 
Wien ihre schließliche Fassung erhielt, u. A. die dritte Stimme 
im Directorium dem Könige von Bayern, den Delegationen 
aber beschließende Stimme bei allen Bundesgesetzen ein- 
geräumt wurde, hatte Graf Rechberg wieder mit der pol- 
nischen Frage zu thun. Napoleon war durchaus nicht der 
Meinung, sich bei der russischen Antwort zu beruhigen,
	        
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