554 Der Frankfurter Fürstentag. 1863
werden sollten. König Johann erwiderte, verpflichten könne
natürlich durch sein Votum jeder nur sich selbst, wünschenswerth
aber sei es, überall zu einem Einvernehmen zu gelangen, und
dazu sei es doch erforderlich, die Meinung Aller oder der
Mehrheit kennen zu lernen; er seinerseits werde stets bereit
sein, die eigene Ansicht der der Mehrheit unterzuordnen. Der
Großherzog von Mecklenburg-Schwerin erklärte darauf, daß
er die Abstimmungen über die einzelnen Artikel zunächst nur
als vorläufige betrachten könne; erst eine Gesammtabstimmung
über das Ganze werde die Meinung der Versammlung er-
geben. Dem pflichtete Kaiser Franz Joseph auf der Stelle
bei, hoffte aber, die Vota bei der Gesammtabstimmung als
bindende betrachten zu dürfen.
Nachdem in so summarischer Weise die Formfrage er-
ledigt war, schritt man ohne Aufenthalt zur Sache, zur
Berathung der einzelnen Artikel. Es hat für uns kein In-
teresse, den Gang dieser von Anfang an zur Erfolglosigkeit
verurtheilten Verhandlungen im Einzelnen zu verfolgen, zu-
mal die Reden der hohen Mitglieder nicht in authentischer
Weise erhalten sind, und in den Sitzungsprotokollen nur hier
und da eine Hindcutung auf ausführlichere Vorträge erscheint.
Von Anfang an zeigte sich eine sichere Mehrheit für die
kaiserliche Vorlage; dieselbe entsprach durchaus den Wünschen
der Mittelstaaten, und nur eine kleine Anzahl der Ubrigen
hatte den Muth, unter den Augen des Kaisers ihre ab-
weichende Ansicht aufrecht zu halten. Franz Joseph bekundete
im ganzen Verlauf der Sitzungen ein ebenso umsichtiges wie
energisches Präsidialtalent, als habe er sein Leben lang sich
mit parlamentarischen Geschäften befaßt. König Johann von
Sachsen erwies sich als nicht minder begabter Leiter der