Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Vierter Band. (4)

330 Antrag auf Bundesreform. 1866 
sich ergebnißlos wie so viele frühere hinschleppen; Preußen 
also werde seine Reformvorschläge erst nach Festsetzung des 
Einberufungstermins mittheilen, und bei einer Ablehnung des- 
selben seinen ganzen Antrag als abgelehnt betrachten. 
Indessen sollte doch durch ein völliges Schweigen den 
Mittelstaaten nicht der erwünschte Vorwand zu einer solchen 
Ablehnung geboten werden, und so wurde Herr von Savigny 
nach Berlin berufen, um an einer Berathung der Vorschläge 
über die Bundesreform Theil zu nehmen, welche er dann 
mündlich in vertraulicher Mittheilung seinen Frankfurter 
Collegen eröffnen möchte. Die Gesinnung des Königs ver- 
einigte sich hier mit allen taktischen Erwägungen, um die 
größte Mäßigung in den Vorschlägen herbeizuführen. Der 
König hatte längst klares Bewußtsein über die gefährliche Un- 
zulänglichkeit der deutschen Bundesverfassung, aber jeder Ehr- 
geiz, persönlich über seine fürstlichen Bundesgenossen empor- 
zusteigen, war seiner Seele fremd. Wie sein verstorbener 
Bruder begehrte er nichts als eine den gegebenen Macht- 
verhältnissen entsprechende Stellung Preußens im deutschen 
Bunde, Gleichberechtigung mit Österreich, festen Oberbefehl, 
wenn nicht über alle, so doch über die nördlichen Bundes- 
Armeecorps. Er war sodann entrüstet über die aus der 
Forderung der Einstimmigkeit hervorgehende Unfruchtbarkeit 
des Bundestags, und deshalb bereit, eine Erweiterung der 
Competenz desselben zu beantragen, aber freilich unter der 
Voraussetzung, daß ihm, dem Centrum des particularistischen 
Geistes, ein Organ des nationalen Gemeinsinns, eine aus 
directen Wahlen hervorgehende Volksvertretung mit gleichem 
Rechte in der Gesetzgebung, an die Seite gestellt werde. Dann 
möge die regierende Gewalt nach wie vor in der Hand des
	        
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