124 Communistische Bewegung. 1867
ausgebeuteten Arbeiter trotz aller Anstrengung bei ihrem
kümmerlichen Tagelohn ihr Lebenlang arme Schlucker bleiben
und mit Sehnsucht der sie erlösenden Revolution entgegen-
harren.
Man erkennt leicht, daß diese Theorie auf den beiden
Grundsätzen beruht: dem ehernen Lohngesetz und der Lehre
vom Ursprung des Mehrwerths. Ist einer derselben un-
richtig, so fällt das ganze Gebäude über den Haufen. Beide
aber sind unrichtig, das Gegentheil der Wahrheit, das Gegen-
theil der Erfahrung.
Das eherne Lohngesetz ist eine wissenschaftliche Abstrac-
tion, die Antwort auf eine theoretisch beschränkte Frage: wie
stellt sich die Lohnhöhe unter der Voraussetzung, daß lediglich
der augenblickliche Nutzen der beiden Contrahenten darüber
entscheidet? In der Wirklichkeit kommt aber eine solche
Isolirung der Frage sehr selten vor, vielmehr wirken durch-
gängig mannichfaltige sonstige Einflüsse darauf ein. Ein
barmherziger Fabrikherr sucht dem Elend seiner Arbeiter
abzuhelfen, er weiß trotzdem die ihm drohende Concurrenz
zu bestehn. Ein einsichtiger Fabrikherr weiß, daß für sein
eignes Interesse besser gesorgt ist, wenn seine Arbeiter kräftig
und zufrieden, als wenn sie verkommen und grimmig sind.
Dabei ist das Maaß des Lohngesetzes, das Minimum des
Lebensunterhaltes selbst, eine der Anderung fortdauernd
unterworfene Größe. Bei wachsendem allgemeinem Wohl-
stand wachsen auch die Forderungen der allgemeinen Lebens-
haltung für alle Stände, und jeder Arbeitgeber wird durch
die öffentliche Meinung zu der entsprechenden Verbesserung
der Lage seiner Arbeiter gezwungen. Dazu kam seit der
Gewährung der Coalitionsfreiheit und der Entwicklung des