Urteile über meine „Politik“ 103
bemerkten, daß es doch nicht, unsere Meinung wäre, die Unterwerfung
anzunehmen. Die seit dieser Wendung im Frühjahr 1912 so fühlbar
verbesserten deutsch-englischen Beziehungen brachten selbst Bethmann
und Kühlmann in der dem Weltkrieg vorangehenden Zeit dazu, un-
umwunden auszusprechen, daß der von mir eingenommene Standpunkt
der richtige gewesen wäre. Solche Äußerungen beider Staatsmänner
sind mir mitgeteilt worden. Am 23. April 1914 in der Frühe hatte
der Reichskanzler vor dem Verlassen Korfus ein Gespräch mit dem
Botschafter v. Wangenheim, dessen Inhalt dieser einem Begleiter in
einer Form mitteilte, welche dieser am gleichen Tage in einem amt-
lichen Bericht weitergegeben hat. Danach sagte der Kanzler: „Es sei
keine Frage, daß 1911/12 die Tirpitzsche Politik die richtige war, und
daß wir unser jetziges aussichtsreiches Verhältnis zu England nur
dieser Marinepolitik verdanken. Er selbst habe das damals nicht so
einschätzen können, bekenne sich aber jetzt zu dem Tirpitzschen Stand-
punkt.“ Auch noch im Juli 1914 bewies Bethmann durch sein
Verhalten, daß er in mir ein Friedensinstrument sah. Als dann das
Unglück vom Juli 1914 aus Gründen entstanden war, die von
der deutschen Flotte sehr weit ablagen, ist Bethmann-Hollweg frei-
lich auf seine Sündenbocktheorie vom Februar 1912 zurückgeglitten
und hat darin reichen Beifall gefunden, einerseits bei den Eng-
ländern, die freilich, da sie ja nach ihrer Behauptung den Krieg
nicht gewollt haben, der Sache die Wendung geben müssen, daß
sie mich zum Kriegstreiber abstempeln, und anderseits bei der deutschen
Demokratie, die nach dem Ausgang des Krieges froh ist, ihr 1900/14
bewiesenes Verständnis für die Notwendigkeit deutscher Machtgrund-
lagen nunmehr feierlich abzuschwören. Ich versage es mir nicht, eine
Probe zeitgemäßer deutscher Geschichtsdarstellung hier einzuschalten.
Die „Frankfurter Zeitung“ schreibt (1918, Nr. 330): „War nicht
Lord Haldane in Berlin, schlug er nicht einen Vertrag vor, der
uns in nur mäßiger Entfernung hinter der englischen Flotte
gelassen haben würde? Diesen Vorschlag nahm Bethmann nicht an,
und wir wissen auch wohl, warum. Nicht weil er nicht selber gewollt,
nicht, weil er diese Lösung nicht als durchaus hinreichend für Deutsch-
lands berechtigte Interessen erkannt hätte, sondern aus erbärmlicher
Feigheit vor Tirpitz und seinen journalistischen Spießgesellen, vor der
frechen, verbrecherischen Propaganda, die das Reichsmarineamt auf