110 Der Ausbruch des Krieges
mit Deutschen den Umstand nicht, daß es im wesentlichen unsere
der Vollendung nahe Risikoflotte in der Nordsee war, was ihre ach-
tungsvolle Tonart bewirkt und die Wahrscheinlichkeit eines britischen
Angriffs zurückgedrängt hatte. Sie sprachen begreiflicherweise nur von
ihrer eigenen friedfertigen Gesinnung, weniger von den Tatsachen,
welche sie verstärkten. Heute sind die Engländer ja froh, daß der
Krieg gekommen ist, in dem Sinn, wie mir der amerikanische Bot-
schafter Gerard nach Kriegsausbruch gesagt hat, er begriffe nicht,
daß wir den Krieg zuließen, denn in wenigen Jahren hätten wir ja
die Engländer auf friedlichem Wege überholt. Aber im Juli 1914
konnten die Engländer doch kaum vermuten, daß unsere Reichsleitung
die deutsche Flotte vom Schlagen zurückhalten würde. Sie dachten
deshalb nicht leichten Herzens an den Krieg. Die genial aufgebaute
Einkreisungspolitik, die das edle Wild Deutschland zu Tode hetzen
sollte, war dicht davor, an unsrer herangewachsenen Machtstellung
zuschanden zu werden.
Soweit ich zur Erhaltung des Friedens in Ehren beigetragen hatte,
sah ich mit Befriedigung auf meine Lebensarbeit zurück und fühlte den
Abschluß des Flottengesetzes nicht mehr fern, womit ich meinem Nach-
folger ein fertiges Werk in die Hände legen konnte. Mochte dieser
dann im Kleinkampf der Behörden und des Parlaments an der Ramme
stehen; die deutsche Marine hatte im Sinne Stoschs und in meinem
Sinne ihr Werk getan, wenn sie durch ihre Kraft den Frieden und die
Freiheit auf den Meeren erhielt.
Niemals hat Deutschland im Lauf seiner langen Geschichte mäch-
tiger und von den Größten der Erde gleicher geachtet dagestanden
als in jenen Tagen, niemals reicher geblüht. Nach dem Urteil er-
fahrener Auslandskenner, wie z. B. des Fürsten Bülow in seiner
„Deutschen Politik“, waren wir im wesentlichen „über den Berg“
und hatten unser Recht auf Weltgeltung durchgesetzt. Deutsche Kultur
und Wirtschaft holten in Ostasien, Afrika, Südamerika, im nahen Orient
in vollen Zügen nach, was unsere Geschichte versäumt hatte. Nur
noch ein paar Jahre ruhiger, geschickter Führung, und wir waren als
Weltvolk nicht mehr zu entwurzeln im Sinn des von Roosevelt 1904
gesprochenen Wortes: „Das Gedeihen eines Volkes hat normalerweise
für die anderen Nationen nicht die Bedeutung einer Bedrohung, son-
dern einer Hoffnung.“ Ein Zufall, der für die Tragik des Weltkriegs