124 Der Ausbruch des Krieges
Als Bethmann später gewahr wurde, daß England mit dem Krieg
ernst machen würde, brach er vollständig zusammen. Weshalb aber
überließ er sich hinsichtlich Englands solange seinem eigenen politischen
Giß, der doch so häufig in die Irre ging? Weshalb hat er in den langen
drei Wochen alle Warnungen überhört, die aus England und über Eng-
land an ihn gelangten? Weshalb suchte er sich nicht Gewißheit darüber
zu verschaffen, wie sich England bei einem Festlandskrieg verhalten würde?
Auch dieses Rätsel löst sich aus der Eigentümlichkeit seines Grundplanes.
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Am 8. Juli gab der Unterstaatssekretär Zimmermann die Direktive
aus, alle auffälligen Maßregeln, wie Urlaubsunterbrechungen usw.
wären zu vermeiden, ebenso wie das Aufgeben der Kaiserreise unter-
blieben wäre. Denn die Hauptsache dafür, daß die Absicht des Lokali-
sierens gelänge, wäre die Vermeidung des Eindrucks, als ob wir
Österreich antrieben.
Schon in den Verhandlungen des Jahres 1911/12 war mir auf-
gefallen, daß Bethmann-Hollweg freien und offenen Aussprachen aus
dem Wege ging und es vorzog, auch solche Fragen, die ihrer Natur
nach durch gemeinsame Beratung geregelt werden mußten, nach
längerem, ausweichendem Hinziehen plötzlich durch einseitig vollzogene
Tatsachen zu lösen. Dazu kam die auch von anderen meiner Kollegen
sowie von Bethmanns Bewunderern an ihm früh bemerkte Fähigkeit,
„etwas zu behaupten, was gar nicht ernst gemeint sein konnte, und
sich nicht bloß die Frage zu stellen, wie etwas objektiv ist, sondern
auch die, wie es subjektiv wirkt. Der Zweck des hier gewählten
Verfahrens war gut, die Vermeidung des Weltkrieges. Aber das für
diesen Zweck benutzte Mittel war nicht glücklich; denn es hat den Weltkrieg
wesentlich befördern helfen. Bethmann sah nicht, daß dies Versehen uns
leicht als Zweideutigkeit ausgelegt werden konnte und außerordentlich ge-
fährlich war. Die Welt wollte nicht glauben, daß Österreich solche Noten
an Serbien schickte, ohne daß wir davon Kenntnis hätten. Die Methode
der bureaukratischen Überrumpelung auf eine europäische Sache über-
tragen, Staatsmännern vom Range der englischen an Stelle einer ver-
trauenerweckenden offenen Aussprache entgegengebracht, versetzte leider
die an sich schon geladene Atmosphäre in noch höhere Spannung.
Wie ich Meldungen vom 11. Juli entnehme, äußerte man im