In der Preußischen Mariue 11
stons als kränkend empfundene Abweisung deutscher Flottenwünsche
nicht nachhaltig getrübt wurde, ebensowenig durch die Kundschafter-
dienste, welche im Jahre 1864 die Briten den Dänen bei Helgoland
gegen Tegetthoff leisteten. Allerdings teilte mein Vater, der inner-
politisch zu liberalen Anschauungen neigte, die Verstimmung, welche
im Gneisenauschen Kreis gegen das selbsisüchtige Großbritannien er-
wachsen war, und pflegte eigene Kindheitserinnerungen an die anderen
Verbündeten aus Preußens Erhebungszeit, die Russen. Die Mei-
nungsverschiedenheiten der Großen färbten daheim kindlich auf uns
ab: ich entsinne mich einer häuslichen Festaufführung, worin meine
Schwester den Engländer, mein Bruder, in dessen Typus das Réfugié-
blut der beiden Großmütter durchschlug, den Franzosen spielte und
ich als Russe die dem Krimkrieg entsprechenden Schläge bekam.
Daß man in England die Preußen noch gelten ließ, erfuhr ich als
Seekadett aus eigener Anschauung. Unsern eigentlichen Ausrüstungs-
hafen bildete zwischen 1864 und 1870 Plymouth, wo noch in langen
Reihen flußaufwärts die Dreidecker Nelsons und die großen Holz-
linienschiffe des Krimkriegs lagen und wo wir uns fast mehr zu-
hause fühlten als im idyllisch-friedlichen, nur gegen Preußen noch
so mürrischen Kiel, dessen Hafen damals erst ein einziger kleiner
Dampfer befuhr, der das Mehl von der Swentiner Wassermühle
herüberschleppte. Im Navy-Hotel zu Plymouth wurden wir wie bri-
tische Midshipmen behandelt, auch in Bezug auf die Preise. Da wir
armen Waffenbrüder von Waterloo England durch wirtschaftliche Kräfte
noch nicht lästig fielen, wurden wir mit freundlicher Herablassung
geduldet. Unser winziges Seeoffizierkorps sah bewundernd zur bri-
tischen Marine auf, und unsere Seeleute fuhren in jenen Tagen noch
ebensoviel auf englischen Schiffen wie auf deutschen. Die Mehrzahl
unsrer Mannschaften diente zwölfjährig nach englischem Muster, nur
der kleinere Teil war Rekrutenersatz; der aber war auf allen Handels-
marinen, zum Teil sogar auf der amerikanischen Kriegsmarine, ge-
fahren und sprach durchweg englisch. Wir Offiziere hatten mit den
englischen die besten Beziehungen und hielten die Kameradschaft auf-
recht bis in die letzten Jahre vor dem Weltkrieg, wo das jüngere
britische Offizierspersonal infolge gesellschaftlicher Verschlechterung sei-
nes Ersatzes die Höflichkeit weniger pflog und infolge langer Ver-
hetzung sein Benehmen gegen uns zu ändern begann.