128 Der Ausbruch des Krieges
länglichkeit unserer Rüstungen aber lockerte sich das Schwert bei
unsern Nachbarn. Hätten wir seit 1909 aus der wachsenden russischen
Stärke die Folgerung gezogen, wirklich Schritt mit den gegnerischen
Rüstungen zu halten, so wäre der Frieden und die auf Achtung
begründete gute Nachbarschaft Rußlands gesichert worden. Es war ein
Methodenfehler von vernichtendem Umfang, daß wir in unserer diplo-
matischen und geographischen Unterlegenheit uns nicht das Höchstmaß
an militärischer Verteidigungskraft sicherten. Was wäre aus Preußen-
Deutschland geworden, wenn Friedrich der Große und sein Vater vor
einem „Rüstungswettlauf“ mit Osterreich zurückgeschreckt wäre? Ein
Volk, das in solchem Wettlauf um die weltwirtschaftliche Macht stand,
wie wir vor diesem Kriege, darf die Verdächtigung durch Rivalen und
Pazifisten nicht scheuen, wenn es nicht alles verlieren will.
Diese Wahrheit, auf deren Erkenntnis und der Zeit entsprechenden
Befolgung der Werdegang des deutschen Staats seit dem Großen Kur-
fürsten beruht, ist der deutschen Radikaldemokratie unbekannt geblieben 1).
Mit ihren Illusionen aber, nicht mit der Staatsvernunft und Über-
lieferung unseres harten geschichtlichen Leidens- und Werdegangs stand
unsere politische Leitung im Bunde.
Ein nicht unerheblicher Teil der begangenen Unterlassungen hätte
aber noch im Juli 1914 beseitigt werden können. Am 5. Juli hatte der
Kaiser gesagt, man müßte trotz der Unwahrscheinlichkeit eines Welt-
kriegs immerhin auf die Möglichkeit eines Zusammenstoßes gefaßt
sein. Es lag bei der Verknüpfung der europäischen Bündnissysteme
auf der Hand, daß wir bei jeder solchen Krisis auf das Schlimmste
gerüstet sein mußten. Aber was geschah?
Wir haben noch im Juli 1914 erhebliche Mengen Brotgetreide nach
Frankreich ausgeführt. Es herrschte ein Mangel an Salpeter, welcher
für die Armee nahezu lebensgefährlich wurde. Kupfer, Nickel und
andre kriegsnotwendige Stoffe fehlten in hohem Maße, und jede
1) Wenn ich häufig gegen die außenpolitische Verblendung weiter demokratischer
Kreise angehen muß, so ist mir wohl bekannt, daß es zahlreiche ehrenhafte und
dem Vaterlande treue Sozialdemokraten und Radikale gibt, welche volles Verständ-
nis für die deutschen Staatsnotwendigkeiten gezeigt haben. Ich verstehe unter
„Demokraten“ in diesem Buch wesentlich die von Scheidemann, Gothein, Haase
und der „Frankfurter Zeitung“ vertretenen mächtigen Richtungen, welche ihrer
Wirkung nach die Kraft unseres Staates untergruben. Mit innerer Politik hat
diese meine Stellungnahme nichts zu tun.