12 Aufstieg
Die Wurzel des britischen Mißvergnügens ist am 2. September
1870 gelegt worden. Als unser Geschwader im Juli 1870 bei drohen-
der Kriegsgefahr vor Dover ankerte, wurden wir von zahlreichen
Dampfern empfangen, dicht besetzt mit Menschen, die uns freund-
schaftlich zuriefen: „It is all settled between France and Prussia,“
da sie glaubten, der Friede sei gesichert, nachdem die Hohenzoller'sche
Thronkandidatur zurückgezogen war. Es hieß damals noch: Das arme
Preußen, daß es nur nicht von Napoleon verschlungen wird. Man sah
uns als die Uberfallenen an. Mit der Schlacht von Sedan schlug
die englische Stimmung um, allerdings nicht von Marine zu Marine,
wo wir unverändert als Couleurschwester behandelt worden sind. Es
fiel mir aber auf, daß die höhere englische Gesellschaft sofort nach
dem Krieg nicht mehr auf unserer Seite war, wozu ihr viel stärkerer
Kulturaustausch mit Paris und ihre Kühle gegen das, was als deutsche
Formlosigkeit empfunden wurde, beitrug. ·
Die preußische Marine hatte wenig eigene Überlieferung. Die Expe-
dition nach Ostasien stand noch als eine Art ruhmreicher Tat da-
binter, dann ein wenig der Krieg gegen Dänemark (in welchem jedoch
der Mangel einer eigentlichen Flotte stark empfunden wurde, als die
vom Prinzen Friedrich Karl gewünschte Unterstützung der Truppen-
überschiffung nach Alsen am schlechten Wetter, den schwachen Ma-
schinen unserer Kanonenboote und der Uberlegenheit der dänischen
Flotte scheiterte). Wir rankten uns sozusagen an der britischen Marine
empor. Man beschaffte lieber in England. Wenn eine Maschine sicher
und ohne Störung arbeitete, ein Tau oder eine Kette nicht riß, dann
war es bestimmt kein heimisches Werkstück, sondern ein Fabrikat
aus englischen Werkstätten, ein Tau mit dem berühmten roten Faden
der britischen Marine. An den Schiffen, die wir selbst gebaut hatten,
brach ungemütlich leicht etwas. Als ich im Winter 1860 zur Artillerie-
prüfungskommission nach Berlin kam, zitterte noch die große vater-
ländische Frage: Krupp contra Armstrong in den Gemütern nach, die
soeben zu Gunsten Krupps entschieden worden war. Die Marine war
für Armstrong gewesen. Wir konnten uns damals nicht vorstellen,
daß deutsche Geschütze den englischen gleichwertig sein könnten.
Als im Jahr 1873 eine Engländerin in Gibraltar an Bord des
„Friedrich Karl“ unsere Mannschaften sah, die damals, wie noch
im Anfang des Weltkriegs, den britischen, wie ich glaube, überlegen