148 Hauptfragen des Krieges
gebender Männer in Deutschland zu lähmen, dafür zeugt der Aus-
spruch, den einer der nächsten Berater des Kaisers nach der Schlacht
vor dem Skagerrak getan haben soll und der sich jedenfalls durchaus
in die Gesamtstimmung dieser Kreise einfügt: „Schade! Wir waren
nahe daran gewesen, von England Frieden zu bekommen.“ Unter
solchen Einflüssen ist des Kaisers eigenes Werk zerstört worden. Im
Juli 1914 trieb die politische Leitung eine gefährliche Politik, die, wenn
sie überhaupt gewagt werden sollte, nur auf eine seemächtige Reichs-
gewalt gegründet werden konnte. Als der Krieg aber da war, wurde
die Flotte tunlichst entwertet und der unmögliche Versuch unternommen,
den Krieg gegen England vor Paris zu gewinnen, vor allem aber
England durch militärisch schonende Behandlung zu einem für uns
gnädigen Frieden umzustimmen, der nun einmal nicht zu bekommen
war. Im Frieden hatte der Kanzler unsere Flotte im Innersten
weggewünscht; im Krieg tat er, als ob sie nicht vorhanden wäre. Die
deutsche Reichsleitung hatte sich eben niemals mit dem Gedanken befaßt,
wie man einen Krieg gewinnt, sondern diese Sorge dem Generalstab
der Armee überlassen, der wiederum nicht zuständig war für die politi-
schen, wirtschaftlichen und seestrategischen Fragen eines Weltkriegs.
So blieb des Kanzlers einzige Hoffnung für den Kriegsabschluß die
auf — die Gutmütigkeit der Engländer.
Nun werden manche fragen: Was hätte uns selbst günstigstenfalls
eine glückliche Seeschlacht genützt? Waren die Engländer nicht in der
Lage, ihre Nordseeflotte bald wieder aus ihren Reserven zu ergänzen,
nötigenfalls aber französische Schlachtkräfte mit heranzuziehen?
Demgegenüber ist zu sagen, daß die Weltgeltung der Engländer
wesentlich auf dem Glauben an ihre unbesiegbare Armada beruht. Ein
deutscher Seesieg oder selbst nur ein für England zweifelhafter Ausgang
der Schlacht hätte das Ansehen Großbritanniens aufs schwerste ge-
troffen. Man muß den Eindruck unseres Seesiegs bei Coronel auf das
Ausland beobachtet haben, um die Bedeutung eines solchen Prestige-
verlustes für England richtig einzuschätzen. Die Engländer waren sich
der Wirkung dieser Waffentat bewußt; darum nahmen sie eine über-
wältigende Streitmacht aus der Heimat fort, um die Niederlage von
Coronel auszuwetzen. Aus Furcht vor einem größeren Prestigeverlust
verfuhren sie auch unserer Nordseeflotte gegenüber je länger je mehr
mit der äußersten Vorsicht. Ob eine glückliche Seeschlacht für uns