Die Frage der Seeschlacht 149
1914 die Wirkung gehabt hätte, die Blockade zu sprengen oder nicht,
war damals noch nicht entscheidend; denn die Engländer konnten bei
ihrer überseeischen Stellung und dem Vorhandensein Japans sich einer
erheblichen Schwächung ihrer Seemacht nicht aussetzen. Der Gesamt-
verlauf des Krieges wurde ein anderer, wenn wir damals an Prestige
zur See gewannen. Der Übertritt Italiens ins feindliche Lager wäre
verhindert worden, unsere Stellung zu den skandinavischen Staaten
veränderte sich mit einem Schlage. Insbesondere aber wuchs die
Neigung des Zaren zum Sonderfrieden und unsere Aussicht auf eine
Verständigung mit Japan in demselben Verhältnis, wie unsere Flotte
durch wuchtige Betätigung nach Art der Armee unser Prestige hob
und das englische schwächte. Die englische Flotte aber mindestens
stark zu reduzieren, dazu hatten wir unbestreitbar die Kräfte. Die
britische Seemacht lag wie ein Alpdruck auf der ganzen Welt der nicht
angelsächsischen Mächte. Für die kleinen Seemächte waren wir, nicht
England, der natürliche Rückhalt. Alles schaute auf uns. Es war die
letzte Stunde der Freiheit der Welt. Auf der See wurde um noch größere
Dinge gerungen als zu Lande; und dort, auf der See, kämpften auch
die heimlichen Sympathien vieler unserer augenblicklichen Gegner auf
unserer Seite. Nur stärkste Mittel konnten uns retten. Wir mußten
die „Grand Fleet“ mindestens empfindlich schädigen. Jede Durch-
löcherung der britischen Seegewalt aber warf sofort die indische, ägyp-
tische Frage usw. auf, entzog England die weiteren Bundesgenossen,
die es brauchte, um uns zu besiegen, und stimmte es zum Frieden.
England war sich der Gefahr bewußt und schätzte unsere Seekräfte
richtiger ein, als es bei uns daheim geschah; deshalb hatte es gezögert,
in den Krieg zu treten und deshalb vermied es nachher die Schlacht.
Unsere Aussichten standen im ersten Jahre gut, aber auch später noch
leidlich. Die englische Presse äußerte sich im späteren Verlauf des
Krieges im Sinne der britischen Admiralität, indem sie vor der See-
schlacht warnte. England könnte nichts gewinnen durch eine „precipitate
and costly action“. „Solange die deutsche Flotte sich versteckt, ernten
wir alle Vorteile der Seegewalt,“ schrieb der Daily Telegraph. War
diese Seegewalt von uns bestritten und ungewiß, so hatten wir min-
destens eine bessere Stellung den Neutralen gegenüber. So wie die
englische Flotte verfuhr, konnten wir nur durch Offensivgeist, nicht
durch passives Abwarten etwas gewinnen. Nur mit fast unerträglichem