204 Der Unterseeboots-Krieg
befindlichen Männer überzeugt, daß es gewagt werden mußte und
könnte. Und in der Tat, hätten wir damals alle Kräfte ohne
Zersplitterung auf dies Ziel als letzte Chance zusammengefaßt, so
wie sich England seinerseits auf die Verhinderung des Ubootskrieges
eingestellt hatte; würden wir die innere Durchhaltekraft unsres Volkes
belebt haben, statt sie niederzudrücken: dann wäre zwar vielleicht nicht
mehr der Sieg, wie bei einem rechtzeitig (1916) unternommenen
Ubootskrieg, jedoch ein erträglicher Frieden wohl noch immer er-
reicht worden. Die Oberste Seekriegsleitung war im Spätsom-
mer 1918 der Überzeugung, daß trotz aller Erschwerungen die
Uboote England noch immer so empfindlichen Schaden zufügten,
daß im Frühjahr 1919 eine erheblich gesteigerte Friedensbereit-
schaft zu erwarten wäre. Der Ubootskrieg ist im Oktober 1918
im ungünstigsten Augenblick geopfert worden, als er gerade durch eine
erhebliche Vermehrung der Uboote wieder in vollen Gang gesetzt war.
Die Marine vertraute in allen ihren Gliedern so fest auf die Früchte
dieser schweren und opferreichen Arbeit, welche ihre besten Kräfte
an sich gezogen hatte, daß das plötzliche Abstoppen des Ubootskrieges
noch vor Abschluß eines auf den Präliminarfrieden basierten Waffen-
stillstandes eine vernichtende moralische Wirkung auf das gesamte Per-
sonal ausübte. Die Mannschaften fühlten sich betrogen, als plötzlich
auf Wilsons Verlangen die zurzeit wichtigste Kriegsführung von der
Reichsregierung desavouiert wurde. Dieses Gefühl der Enttäuschung
und Entmutigung ist einer der Gründe für die Erschütterung des Ver-
trauens der Mannschaften zu ihren Vorgesetzten.
Es hat nicht viel gefehlt zu einem guten Frieden. An der Wehr-
macht lag es nicht, wenn wir ihn nicht fanden. Als Hindenburg und
Ludendorff endlich zur Führung berufen wurden, konnte die Armee
ihn freilich nicht mehr schaffen. Die Marine konnte einen brauchbaren
Frieden wohl zweimal greifbar nahe bringen, im Herbst 1914 mit der
Flotte, im Frühjahr 1916 mit noch größerer Wahrscheinlichkeit durch
das Uboot. Das Furchtbarste zu wissen ist, daß unsere heutige Lage
nicht nur politisch, sondern auch militärisch vermeidbar war.
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