Full text: Auswahl für das Feld.

gung des einzelnen. Gereift und gefestigt ward dieser Ideengang, 
als Fichte jetzt sich schulte an den großartig einfachen Mitteln ur- 
alter Menschenbildung, an Luthers Bibel und an der knappen 
Form, der herben Sittenstrenge des Tacitus. · 
Also vorbereitet hielt er im Winter 1807/8, belauscht von frem- 
den Horchern, oft unterbrochen von den Trommeln der französi- 
schen Besatzung, zu Berlin die „Reden an die deutsche Nation“. 
Sie sind das edelste seiner Werke, denn hier war ihm vergönnt, 
unmittelbar zu wirken auf das eigentlichste Objekt des Redners, 
den Willen der Hörer; ihnen eigen ist im vollen Maße jener Vor- 
zug, den Schiller mit Recht als das Unterpfand der Unsterblich- 
keit menschlicher Geisteswerke pries, doch mit Unrecht den Schriften 
Fichtes absprach, daß in ihnen ein Mensch, ein einziger und un- 
schätzbarer, sein innerstes Wesen abgebildet habe. Doch auch der 
Stadt sollen wir gedenken, die, wie eine Sandbank in dem Meere 
der Fremdherrschaft, dem kühnen Redner eine letzte Freistatt bot; 
die hocherregte Zeit und die hingebend andächtigen Männer und 
Frauen sollen wir preisen, welche des Redners schwerem Tiefsinn 
folgten, den selbst der Leser heute nur mit Anstrengung versteht. 
Riesenschritte, hebt Fichte an, ist die Zeit mit uns gegangen; 
durch ihr Ubermaß hat die Selbstsucht sich selbst vernichtet. Doch 
aus der Vernichtung selber erwächst uns die Pflicht und die Sicher- 
heit der Erhebung. Damit die Bildung der Menschheit erhalten 
werde, muß diese Nation sich retten, die das Urvolk unter den 
Menschen ist durch die Ursprünglichkeit ihres Charakters, ihrer 
Sprache. — Unterdrücken wir strenge das wohlweise Lächeln des 
Besserwissens. Denn fürwahr ohne solche Uberhebung hätte unser 
Volk den Mut der Erhebung nie gefunden wider die ungeheure 
Ubermacht. Freuen wir uns vielmehr an der feinen Menschen- 
kenntnis des Mannes, der sich gerechtfertigt hat mit dem guten 
Worte: „Ein Volk kann den Hochmut gar nicht lassen, außerdem 
bleibt die Einheit des Begriffs in ihm gar nicht rege.“ — Diesem 
Urvolke hält der Redner den Spiegel seiner Taten vor. Er weist 
unter den Werken des Geistes auf die Größe von Luther und 
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