Full text: Auswahl für das Feld.

der Freiheitskriege bestätigen, welche die hart enttäuschten Zeitge- 
nossen kummervoll zurücknahmen. 
Auch zu einer rein publizistischen Arbeit ward der Denker durch 
die Sorge um den Neubau des Vaterlandes veranlaßt. Alsbald 
nach dem Aufrufe des Königs an sein Volk schreibt er den viel- 
genannten „Entwurf einer politischen Schrift“. Die wenigen Blätter 
sind unschätzbar nicht bloß als ein getreues Bild seiner Weise zu 
arbeiten — denn hier, in der Tat, sehen wir ihn pochen und graben 
nach der Wahrheit, den Verlauf des angestrengten Schaffens unter- 
brechen mit einem nachdenklichen „Halt, dies schärfer!“ und die 
Schlacken der ergründeten Wahrheit emporwerfen aus der Grube — 
sondern mehr noch, weil uns hier Fichte entgegentritt als der erste 
namhafte Verkündiger jener Ideen, welche heute Deutschlands na- 
tionale Partei bewegen. Schon oft war, bis hinauf in die Kreise der 
Mächtigsten, der Gedanke eines preußischen Kaisertums über Nord- 
deutschland angeregt worden. Hier zuerst verkündet ein bedeutender 
Mann mit einiger Bestimmtheit den Plan, den König von Preußen 
als einen „Zwingherrn zur Deutschheit“ an die Spitze des ge- 
samten Vaterlandes zu stellen. Parteien freilich im heutigen Sinne 
kannte jene Zeit noch nicht, und Fichte am wenigsten hätte sich der 
Mannszucht einer Partei gefügt; er schreibt seine Blätter nur nieder, 
damit „diese Gedanken nicht untergehen in der Welt“. Aber kein 
Parteimann unserer Tage mag das tödliche Leiden unseres Volkes, 
daß es mediatisiert ist, klarer bezeichnen als er mit den Worten, 
das deutsche Volk habe bisher an Deutschland Anteil genommen 
allein durch seine Fürsten. Noch immer schwebt ihm als höchstes 
Ziel vor Augen eine „Republik der Deutschen ohne Fürsten und 
Erbadel“, doch er begreift, daß dieses Ziel in weiter Ferne liege. 
Für jetzt gilt es, daß „die Deutschen sich selbst mit Bewußtsein 
machen“. — „Alle großen deutschen Literatoren sind gewandert“, 
ruft er stolz; und jenes freie Nationalgefühl, das diese glänzenden 
Geister trieb, die Enge ihres Heimatlandes zu verlassen, muß ein 
Gemeingut des Volkes werden, damit zuletzt der Einzelstaat als 
überflüssig hinwegfalle. Ein haltbarer Nationalcharakter wird ge- 
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