Mann und Weib, die Fragen von der Armut und dem Sozialis—
mus, spielen in das Gedicht hinein. In dieser kleinen Welt rein—
menschlicher Empfindungen hat der Dichter jene Wärme des Ge—
fühls, jene Freude an dem Milden und Gemütlichen, jene gläu-
bige versöhnte Stimmung wiedergefunden, die auf seinen langen
spekulativen Irrfahrten fast verloren schienen.
Welches irdische Glück ist diesem höchsten vergleichbar,
das uns über uns selbst erhebt, indem wir's genießen,
und wem wird es versagt, wem wird es gekränkt und geschmälert?. .
Und so ist die Natur gerecht im ganzen und großen
und verteilt nur den Tand, die Flitter, nach Lust und nach Laune.
Uns scheint, in diesen Worten über die Elternliebe liegt unendlich
mehr Tiefsinn und kräftiger Mannesmut, als in den heftigsten
Invektiven, welche Hebbel je gegen die Gesellschaft geschleudert.
Der wesentliche Mangel des Werkes zeigt sich in der Form. Wir
meinen hier nicht die übermäßige Anwendung des Trochäus, die
Hebbel sich erlaubt. Denn der Hexameter ist zwar keineswegs,
wie Hebbel meint, „der deutscheste Vers“, sondern ein Maß, das
einer ursprünglich der Quantität entbehrenden Sprache niemals
ganz natürlich zu Gesichte stehen kann; doch gerade deshalb mag
der deutsche Dichter bei dessen Handhabung mit großer Freiheit
verfahren. Sein feines Gehör allein muß ihn warnen vor dem
Schein der Dürftigkeit, der durch zahlreiche Trochäen entsteht, wie
vor dem haltlosen hüpfenden Wesen und dem zischenden Mißklang
gehäufter Konsonanten, welche die Daktylen der „korrekten“ Platen-
schen Schule in den Hexameter bringen. Wir meinen hier die
Form in einem minder äußerlichen Sinne. Die ungeheure, voll-
kommen nur einmal erfüllte Aufgabe, in unserer aufgeregten Zeit
das erhabene Gleichmaß epischer Diktion und Empfindung zu be-
wahren, war dem Dramatiker unlösbar. Bald staut seine Rede
sich auf in abgebrochenen Sätzen, bald stürmt sie daher in langen
Perioden, die ebenmäßige Wallung des Hezameters geht verlo-
ren. — Und dies einfach herzliche Gedicht ging in der Lesewelt
290