Europäer des vergangenen Jahrhunderts sich mit altklugem Wohl-
gefallen an seiner geschmacklosen einförmigen Tracht weidete, so
regt sich heute, seit dem Wiedererstarken des germanischen Geistes,
in immer weiteren Kreisen der Widerwille gegen das gleichmäßig
langweilige, farblose Leben unserer guten Gesellschaft. Auch die
zunehmende Mannigfaltigkeit der Beschäftigungen, die Arbeits-
teilung wirkt in dieser Richtung. Und wer mit feinem Odhre die
Naturlaute des Volkslebens zu belauschen weiß, wird in der Ge-
schichte aller modernen Volksbewegungen an zahlreichen Erschei-
nungen erkennen, welcher starke Sinn für persönliche Selbstbehaup-
tung, für individuelle Sitten noch in unserem Volke lebt. Nicht
als eine abgeschlossene Vergangenheit liegt die Geschichte vor uns.
Sie ist nicht tot, nicht für immer verschwunden, die Herrlichkeit
des alten deutschen Bürgertums, das einst in farbenreichem, wogen-
dem Gewimmel durch die geschmückten Straßen türmestolzer Städte
sich drängte. Die Mode freilich wird ihre Herrschaft behaupten,
solange unsere Kultur dauert; sie entsteht von selber in jedem
Volke, sobald der Trotz des einzelnen sich dem Staate gebeugt
hat und ein lebendiges Gemeingefühl sich bildet. Es ist damit
wie mit den Namen. Wohl war es eine poetische Sitte, daß in
der Jugendzeit der Völker die Eigennamen etwas bedeuteten, den
Träger bezeichneten; überwiegend ist doch der praktische Vorteil,
daß unsere leb= und sinnlosen Namen unveränderlich feststehen.
Desgleichen wird die phantasielose Mode bleiben; aber das öffent-
liche Leben eines freien Volkes bietet auch in nüchternen Epochen
einige Gelegenheit, die Schönheit und Mannigfaltigkeit persön-
licher Sitten zu entfalten. Weil wir ohne phantastische Sehnsucht,
mit klarer, bewußter Bewunderung auf die Tage Pirckheimers und
Peter Vischers schauen, ebendeshalb ist die Hoffnung unverloren,
daß die Pracht und Lust der alten Bürgerfeste der deutschen Zu-
kunft nicht gänzlich fehlen werde.
Soweit aber die Gefahr doch vorhanden ist, daß der die Zeit
beherrschende Mittelstand die Freiheit der persönlichen Ausbildung
auf ein Mittelmaß des Denkens und Empfindens beschränke, so
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