Full text: Kriegsschäden und Kriegsschadenersatz.

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dessen Gültigkeit für diesen Krieg glatt verneinen müssen. Für den größten 
Teil der Bestimmungen wird die Frage nicht praktisch werden, da nach 
Art. 4 Abs. 2 das erste Haager Abkommen vom 29. Juli 1899 (REl. 
1901, 450) in Kraft geblieben ist, soweit nicht das neue ratifiziert worden 
ist. Dem ersten Abkommen waren aber alle jetzt im Krieg befindlichen 
Mächte beigetreten. Freilich fehlt in dem älteren Abkommen die gerade für 
den Kriegsschaden wichtige Bestimmung des Artikels 23 h der Land-Kriegs- 
ordnung. 
Aber auch für die Fälle, in denen zweifellos der Form nach das zweite 
Abkommen nicht gilt, darf man eines nicht vergessen: Das Haager Ab- 
kommen erklärt selbst in seiner Einleitung, es enthalte nur die Niederschrift 
einiger besonders wichtiger Grundsätze, in der Form, die sich jetzt habe er- 
reichen lassen. Damit solle aber nicht gesagt sein, daß über den Geltungs- 
bereich des Abkommens hinaus schrankenlose Willkür herrsche. Was die 
Einleitung hier verkündet und was auch England, Frankreich und Rußland 
unterschrieben haben, es ist so wichtig, daß es im Wortlaut hier wieder- 
gegeben werden muß: 
„So lange, bis ein vollständigeres Kriegsgesetzbuch festgestellt 
werden kann, halten es die hohen vertragschließenden Teile für 
zweckmäßig, festzusetzen, daß in den Fällen, die in den Bestimmun- 
gen der von ihnen angenommenen Ordnung nicht einbegriffen sind, 
die Bevölkerung und die Kriegführenden unter dem Schutze und 
der Herrschaft der Grundsätze des Völkerrechts bleiben, 
wie sie sich ergeben aus den unter gesitteten Völkern 
feststehenden Gebräuchen, aus den Gesetzen der 
Menschlichkeit und aus den Forderungen des 
öffentlichen Gewissens.“ 
Damit ist ausdrücklich gesagt, was vordem schon im Völkerrecht an- 
erkannt war: Es gibt eine Reihe ungeschriebener grundlegender Rechts- 
sätze für den Verkehr der Völker, die einzuhalten sind und deren Verletzung 
zum Schadenersatz verpflichtet. Einer der wichtigsten dieser Grundsätze ist 
die Forderung der Schutzpflicht des Aufenthaltsstaatest). 
Man nimmt wohl an, jeder Staat dürfe Ausländer ohne Grund ausweisen; 
aber so lange der Ausländer sich im Bereich eines fremden Staates auf- 
hält, hat er Anspruch auf Schutz gegen strafbare Handlungen. Insofern 
ist nach Völkerrecht gewissermaßen ein Tumultgesetz wie das preußische vom 
Jahre 1851 allgemein anerkannt. Die Staatsgewalt muß dafür sorgen, 
daß in ihrem Machtbereich Ordnung erhalten bleibe. Gegen die Straftat 
1) S. hierzu Zitelmann. DJZ. 1915, 20; Arndt, Recht und Wirtschaft, 1915, 44. 
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