2. Abschn. Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaate. (824.) 131
gegen wird die Nichtigkeit der Entlassung auf dem Gebiete des Straf—
rechts nicht zu berücksichtigen sein, weil dem Inhaber der Entlassungs—
urkunde das Bewußtsein mangelt, Deutscher zu sein. In der Reichs-
tagskommission führte ein Vertreter der verbündeten Regierungen aus, „es
sei die Meinung nicht zutreffend, daß jemand, der aus der deutschen
Staatsangehörigkeit entlassen worden sei und darauf die Waffen gegen
das Deutsche Reich getragen habe, wegen Landesverrats seine Bestrafung
zu gewärtigen habe, wenn er vor Ablauf eines Jahres nach Deutschland
zurückkehre und dadurch wieder die Reichsangehörigkeit erwerbe. Zum
Tatbestande des § 88 St GB. gehöre der Umstand, daß der Täter ein
Deutscher sei. Habe aber der Täter eine Entlassungsurkunde in Händen,
so werde davon auszugehen sein, daß er die strafbare Handlung in dem
Bewußtsein begehe, kein Deutscher zu sein. Selbst wenn also später in-
folge seiner Rückkehr ins Inland die Entlassung als nicht erfolgt gelte
und er somit auch für die Zwischenzeit wieder als Deutscher angesehen
werde, so könne ihm dieser Umstand doch gemäß § 59 des St G., da
er ihm zur Zeit der Begehung der Handlung unbekannt gewesen sei,
nicht zugerechnet werden.“
3. Das Jahr läuft mit dem Ende des Tages ab, der nach seiner
Ordnungszahl und der Monatsbenennung dem Tage entspricht, an dem
die Entlassungsurkunde ausgehändigt worden ist.
4. Der Reg. Entw. hatte an der sechsmonatlichen Frist des § 18
Abs. 2 des B. u. St Ges. festgehalten. Die Reichstagskommission hat aber
die Dauer der Frist verdoppelt. Sie ist hierbei von dem Gedanken aus-
gegangen, das Vaterland solle seine Söhne, die innerhalb gewisser Zeit
reumütig zurückkehrten, wieder in seine Arme aufnehmen. Auch solle
man demjenigen zur Rückkehr goldene Brücken bauen, der sich außer-
halb der Grenzpfähle des Reichs umsehen wolle. Überdies schütze § 22
des R. u. StGes. davor, daß jemand sich mit Hilfe des 8§ 24 Abs. 1
seiner Wehrpflicht entziehen könne. Wenn sich aber aus dem Schwebe-
zustand der einjährigen Frist Unzuträglichkeiten ergäben, so könne der
Entlassene als Nichtdeutscher ausgewiesen werden.
5. Der Begriff „Wohnsitz“ steht hier dem der 88 7ff. BGB. nicht
völlig gleich. Nach der EVGH. Bd. 8 S. 134 f. wird als Wohnsitz der
Mittelpunkt der persönlichen Verhältnisse und der wirtschaftlichen Tätig-
keit des Entlassenen zu erachten sein.
In einer weiteren EV GH. Bd. 11 S. 88 ist hervorgehoben, daß
§818 Abs. 2 des B. u. St Ges. auch für die einzelnen Familienglieder,
auf die sich die Entlassungsurkunde erstreckt, Geltung hat. Hiernach be-
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