Full text: Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1913.

2. Abschn. Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaate. (8 6.) 61 
2. Der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch die Frau 
setzt voraus, daß der Mann zur Zeit der Eheschließung Deutscher war. 
Hatte er etwa die Staats- oder die unmittelbare Reichsangehörigkeit 
vor der Eheschließung verloren, so kann die Frau auch nicht als „ehe— 
malige Deutsche“ im Sinne der §§ 13 und 21 des R. u. StGes. gelten. 
3. Daß die Frau die Staatsangehörigkeit des Mannes erwirbt, ist 
zwingende Vorschrift. Der Erwerb ist vom Willen der Beteiligten un- 
abhängig und kann nicht ausgeschlossen werden. Hiergegen sind im 
Reichstag mehrfach Bedenken erhoben worden, die in verschiedenen An- 
trägen Ausdruck fanden. Es wurde beantragt, den §6 völlig zu streichen 
oder den Staatsangehörigkeitserwerb bei der Eheschließung von einem 
Antrage der Frau abhängig zu machen oder ihr wenigstens das Recht 
einzuräumen, auf den Erwerb der Staatsangehörigkeit ihres Mannes 
zu verzichten. Die Begründungen forderten für die Frau das Recht 
der freien Wahl ihrer Staatsangehörigkeit mit dem Hinweise, daß Ge- 
fühle der Anhänglichkeit, wirtschaftliche und kulturelle Rücksichten, die 
Wahrung des Aufenthaltsrechts u. dgl. die Frau bestimmen könnten, 
ihre ursprüngliche Staatsangehörigkeit beizubehalten. Die verbündeten 
Regierungen vertraten den Standpunkt, es sei ein Grundsatz der ge- 
samten Kulturwelt, daß die Frau die Staatsangehörigkeit des Mannes 
teile. Gründe des innerstaatlichen, wie des Völkerrechts sprächen gegen 
eine Verschiedenheit der Staatsangehörigkeit von Ehegatten. Auch könne 
der Zweck der Anträge, der Frau ihre frühere Staatsangehörigkeit zu 
erhalten, durch das deutsche Gesetz gar nicht verwirklicht werden, wenn 
beispielsweise nach dem Rechte des ausländischen Heimatstaats die Frau 
durch Verehelichung die Staatsangehörigkeit verliere. Aus letzterem 
Grunde vermag freilich § 6 des R. u. St Ges. auch in der geltenden 
Fassung nicht, völkerrechtliche Schwierigkeiten auszuschalten; denn die 
Ausländerin, die durch Verehelichung Deutsche wird, bleibt zugleich 
Staatsangehörige ihres Heimatstaats, wenn sie nach dem Rechte dieses 
Staats durch die Eheschließung die Staatsangehörigkeit nicht verliert. 
Kinder der Frau aus früheren Ehen oder uneheliche Kinder nehmen 
am Erwerb der Staatsangehörigkeit ihrer Mutter nicht teil, es sei denn, 
daß sie durch die Ehe legitimiert werden (vgl. hierüber § 5 R. u. St Ges., 
Reger Bd. 11 S. 418). 
4. Besitzt der Mann zur Zeit der Eheschließung die Staatsangehörig- 
keit in mehreren Bundesstaaten, so erwirbt die Frau gleichfalls die 
mehrfache Staatsangehörigkeit. Die unmittelbare Reichsangehörigkeit ist 
der Staatsangehörigkeit gleichgestellt (§ 35 des R. u. St Ges.).
	        
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