52 WILHIHIELM DER SIEGREICHE
meiner Truppen zu sterben, so lege ich meinen
Degen in die Hand Eurer Masjestät nieder.“—
Aufs tiefste ergriffen, faltete der König den Brief
zusammen. „Welch eine Wendung durch Gottes
s Fügung!“ sprach er zu sich selbst. Dann schrieb er
auf zwei übereinandergelegten Stühlen die Antwort,
daß er bereit sei, Seine Majestät den Kaiser zu
empfangen.
In dem Gartensaal eines kleinen Schlosses bei
20 Donchery erschien der so jäh von seiner Höhe herab-
gestürzte Franzosenkaiser' vor seinem Sieger, der
ihm großmütig die Hand entgegenstreckte und, edeln
Mitleids voll, schonend über sein Unglück mit ihm
sprach. Nicht der leiseste Gedanke kam dem edeln
1s Monarchen, es den Neffen fühlen zu lassen, was
seiner Zeit in Tilsit der Oheim’' an seinen hoch-
seligen Eltern verschuldet.“ Viel größer als damals
Friedrich Wilhelms war ja' jetzt Napoleons Unglück;
denn nicht wie Preußens König konnte der Fran-
20 zosenkaiser sich der Liebe und Teilnahme seines
Volkes erfreuen. Der besiegte Napoleon war nicht
mehr Kaiser der Franzosen. Das war nur zu
gewiß.
Das Schloß Wilhelmshöhe' bei Kassel wurde dem
25 hohen Gefangenen zum Aufenthalt angewiesen.
Die in Sedan umzingelte Armee wurde als kriegs-
gefangen in deutsche Festungen übergeführt. König
Wilhelm aber telegraphierte die Nachricht von
diesem großartigen Siege an seine Gemahlin, und
zo die Depesche schloß mit den Worten: „Welch eine
Wendung durch Gottes Fügung!“