Full text: Wilhelm der Siegreiche.

68 WIEHELAST DER SIEGCREICHE 
  
Gegen Rußlands Herrscher Alexander III., seinen 
Großneffen, zeigte Wilhelm sich stets von einer 
wohlwollenden Seite, und als der Zar gelegentlich 
einer Besuchsreise auch Berlin berührte, bereitete 
§ der deutsche Kaiser ihm einen so herzlichen Em- 
pfang, daß Alexander von freundschaftlichen Gefühlen 
beseelt, in seine Residenz zurückkehrte. 
So war es Kaiser Wilhelm gelungen, Deutsch- 
land zu einer Größe und einem Ansehen zu erheben, 
ro wie dies seit Jahrhunderten keinem deutschen Herr- 
scher mehr beschieden gewesen. Der Traum des 
alten Barbarossa' war verwirllicht. Deutschland 
war einig und stark wie kaum ein zweites Land 
der Welt. Und das deutsche Volk liebte und schätzte 
r seinen Kaiser über alles. 
Die sich täglich mittags 12 Uhr vor dem keaiser- 
lichen Palais versammelnden Verehrer zählten nach 
Tausenden. War es doch’' weltbekannt, daß der 
Kaiser bei dem Aufziehen der Wache am Eckfenster 
20 seines Arbeitszimmers zu erscheinen pflegte. Dieses 
Fenster hatte daher schon längst die Bezeichnung 
„historisch" erhalten. Eine allgemeine freudige 
Bewegung gab sich in dem wogenden Menschenmeer 
kund, sobald das milde Greisenantlitz sichtbar wurde, 
es und jeder in der Hauptstadt anwesende Fremde, 
der dieses Momentes teilhaftig wurde, feierte ihn 
wohl' als den wichtigsten seines Lebens. 
Scheint die Sonne noch so schön, 
Einmal muß sie untergehn. 
30 Auch der unvergleichlich schöne, sonnenhelle Lebens-
	        
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