Full text: Handbuch des geltenden Öffentlichen und Bürgerlichen Rechts.

Gewerbegericht. Gewerbliche Hilfskassen. 209 
Andernfalls ist sofort ein zweiter Termin zu verkünden, zu dem die Bei- 
sitzer zuzuziehen sind (§ 54); erscheinen in diesem Termine die Parteien 
oder eine nicht, so kann das Gericht die Beweisaufnahme vornehmen bzw. 
beschließen oder die Sache ruhen lassen, aber auch ein Urteil fällen, gegen 
das der nicht erschienenen Partei der Einspruch binnen 3 Tagen zusteht 
(§ 42). Im etwaigen dritten Termin ist beim Nichterscheinen einer Partei 
wieder auf Antrag Versäumnisurteil zu erlassen; bleiben beide Parteien 
aus, so ruht das Verfahren (§§ 42, 39, 40). Die Beweisaufnahme er- 
folgt nach den Regeln der Z3P.; doch ist die Beeidigung der Zeugen 
nicht obligatorisch (§ 44) und der Beweis durch Eid modifiziert (§§ 45 f.). 
Das Ortsstatut kann geringere Kosten, als die nach § 58 anzu- 
setzenden, oder Gebührenfreiheit vorschreiben (§ 58). Die Kosten werden 
wie Gemeindeabgaben beigetrieben (§ 59). Die ordentlichen Gerichte haben 
den Gew Ger. gemäß GVG. Rechtshilfe zu leisten (§ 61). 
Außerdem kann das Gew Ger. bei Streitigkeiten über die Bedingungen 
der Wiederaufnahme oder Fortsetzung der Arbeit (Streik) als Einigungs- 
amt (§8§ 62—74) fungieren. Es muß zusammentreten, wenn beide 
Teile es anrufen und die beteiligten Arbeiter und Arbeitgeber — letztere 
nur, wenn es mehr als 3 sind, — bevollmächtigte Vertreter (gewöhnlich 3) 
bestellen, außerdem kann der Vorsitzende zur Einleitung der Ver- 
handlung und in deren Verlauf an den Streitigkeiten beteiligte Personen 
vorladen und vernehmen und zwar — auch wenn das Einigungsamt nur 
von einem Teil angerufen war — unter Strafandrohung (bis 100 Mk.; 
§ 66: Verhandlungszwang). Das mindestens mit 4 Vertrauensmännern 
besetzte Einigungsamt hat nach Klarstellung der Sachlage eine Einigung, 
die dann öffentlich bekannt zu geben ist, zu versuchen (§§ 69, 70), andern- 
falls einen Schiedsspruch abzugeben, wobei der Vorsitzende bei Stimmen- 
gleichheit beider Parteien sich der Abstimmung enthalten und den Spruch 
als nicht zustande gekommen erklären kann. Der Schiedsspruch ist den 
Parteien zur Erklärung zuzustellen; Schweigen binnen bestimmter Frist 
gilt als Ablehnung. Der Schiedsspruch und event. sein Mißlingen sind 
ebenfalls zu veröffentlichen (§§ 71f.). 
Das Gew er. ist ferner verpflichtet, auf Ansuchen von Behörden 
Gutachten über gewerbliche Fragen abzugeben, zu welchem Zweck Aus- 
schüsse gebildet werden können, und berechtigt, in dergl. Fragen Anträge 
an die Behörden zu richten (§ 75). — 
Wo ein Gewerbegericht nicht besteht, kann in den Fällen der Nr. 1 
und 5 des § 4 die vorläufige Entscheidung des Gemeinde- 
vorstehers bzw. seines hierzu ernannten Vertreters angerufen werden, 
gegen die der Rechtsweg beim ordentlichen Gericht mittels Erhebung der 
Klage binnen 10 Tagen beschritten werden kann (§§ 76—80). Daß die 
Innungen auf Grund des § 84 ihre Sondergerichte daneben behalten 
haben, ist bereits erwähnt. Für das BergGew Ger. gibt § 82 besondere 
Normen. — 
VIII. Titel. Gewerbliche Hilfskassen (§ 140). 
Das sind — als erster Beginn der staatlichen Sorge für die Ver- 
sicherung der Arbeiter — Kranken-, Hilfs= und Sterbekassen, bei denen, 
Zelle, Handbuch. 6. Aufl. 14
	        
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