I. Buch. IV. Ostmarkenpolitik. 121
der Welfen, die uns Holstein und Mecklenburg gewannen und der brandenburgischen
Askanier zu gedenken als der Siege in Ztalien und Palästina. Das folgenreichste nationale
Mißgeschick war nicht der traurige Untergang der Hohenstaufen durch die NKänke päpst-
licher und französischer Politik, sondern der Tag von Tannenberg, der den Verlust eines
großen Teiles jahrhundertelanger deutscher Kolonisationsarbeit, den nationalen Verlust
Westpreußens und Danzigs an Polen zur Folge hatte und der stolzen Selbständigkeit
des deutschen Ordensstaates ein Ziel setzte. Es war die weise Staatskunst der hohen-
zollerischen Kurfürsten, die es verhinderte, daß uns Deutschen der nationale Besitz im
äußersten Osten vollends entglitt und die hier auf östlichen deutschen Vorposten frühe
schon das allgemeine deutsch- nationale Interesse dem Staatsinteresse Brandenburg-
Preußens vermählte. Es kann eine Frage sein, ob ohne den schwarzen Tag von Tannen-
berg der Ordensstaat imstande geblieben wäre, den Osten gegen die polnische Übermacht
auf die Dauer deutsch zu erhalten. Es ist keine Frage, daß wir Ost- und Westpreußen
für alle Zeiten verloren hätten wie zuvor die westlichen und südlichen Gebiete, wenn
Deutschland nicht im Hause Hohenzollern ein ebenso unverdrossener und umsichtiger
wie tapferer und entschlossener Hüter der deutschen Marken erstanden wäre. Das Recht
auf Ostpreußen, das durch eine kluge Familienpolitik geschaffen war, hat der Große
Kurfürst mit dem Schwert behauptet, als er in der Warschauer Schlacht siegreich den
roten Adler von Brandenburg gegen den weißen Adler des Königs von Polen führte
und die Fesseln polnischer Lehensherrschaft zerbrach. Klug nannte der erste König sich
König in Preußen und sprach damit für seine Nachfolger die Erwartung aus, König
von Preußen durch den einstigen Besitz Westpreußens zu werden. Und diese Erwartung
erfüllte sich, als der große König in der ersten Teilung Polens Westpreußen erdielt,
als den Siegespreis des Siebenjährigen Krieges, wie Friedrichs des Großen Biograph,
Reinhold Koser, treffend sagt. Nur dem Sieger von Roßbach, Leuthen und Zorndorf
gewährte die Zarin Katharina einen Anteil an polnischem Lande, das aufgehört hatte,
ein staatliches Existenzrecht zu haben, seitdem die staatlichen Zustände der Adelsrepublik
anarchische geworden waren.
Licht als neuerworbenes, fremdes, sondern als zurückgewonnenes deutsches Land
ward Westpreußen angesehen. Und mit Recht. Denn deutsch war dies Land unter der
Ordensherrschaft politisch gewesen, und deutsch war es geworden durch die Arbeit deutscher
Siedler in Stadt und Land. Preußen brachte aber nicht nur dem westpreußischen Deut-
schen eine deutsche Herrschaft wieder und das schöne Recht, als Deutscher Bürger eines
deutschen Staates zu sein, es brachte seinen neuen polnischen Untertanen Freiheit und
Kecht. A#lls das einzige Land, wo die Masse des Volkes aller Rechte der Menschheit ent-
behrte, hatte König Stanislaus Leszczinski klagend sein Land bezeichnet. Das milde
und strenge, freie und gebundene, gerechte Regiment des großen Preußenkönigs brachte
der polnischen Bevölkerung, was sie bis dahin entbehrt hatte. „Oas sicherste Mittel,
diesen geknechteten Leuten bessere Begriffe und Sitten beizubringen, wird immer sein,
solche mit der Zeit mit deutschen zu vermischen, und wenn es nur anfänglich mit zwei
oder drei in jedem Dorf geschehen kann“, schrieb Friedrich der Große noch vor dem
Teilungsjahr 1772. Noch ehe ein Fuß breit polnischen Landes in preußischen Besitz
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