II. Buch. Staats- und Verwaltungerecht. 31
schweigen gegenũber der großen Pflicht für die leibliche und moralische Gesundheit
des deutschen Volkes. Ein besonderes Gesetz erging 1911 zur Regelung der gewerblichen
Arbeit in Werkstãtten, die sich eng an die Familie anschließen, das sog. Hausarbeitsgesetz.
Auch die Fragen des Gewerbewesens haben, insoweit ihnen allgemeine soziale
Bedeutung zukommt, schon mehrfach internationale Regelung gefunden, so in dem
Berner Staatsvertrag (1906) ũber das Verbot der Verwendung von weißem (gelbem)
Phoshpor zur Anfertigung von Zündwaren; von Reichs wegen war bereits 1903 ein
Strafgesetz hiergegen erlassen worden. Ein weiteres internationales Abkommen von
1906 bezieht sich auf das Berbot der Nachtarbeit für gewerbliche Arbeiterinnen.
Eines der allergrößten Werke deutscher Gesetz-
gebung ist endlich die Reichsversicherungs-
ordnung. Das Werk, das mit der Allerhöchsten Botschaft vom 17. November 1881
seinen Anfang nahm, hat nunmehr in der großen Kodifikation der Reichsversiche-
rungsordnung von 1911 seinen großartigen — vorläufigen — Abschluß gefunden.
Der allgemeinen Versicherungsordnung trat als hochwichtiges Sondergesetz im gleichen
Jahre noch hinzu das Versicherungsgesetz für Angestellte nach der näheren Bestimmung
dieses Begriffes, die in & 1 des Gesetzes gegeben ist. Das Deutsche Reich ist in dieser
Gesetzgebung, die als eines der gewaltigsten Kulturwerke aller Zeiten bezeichnet werden
muß, vorbildlich für die Welt geworden. Ein besonderer Abschnitt dieses Werkes wird
die Entwickelung dieser Gesetzgebung im einzelnen zu schildern haben.
5. Reichsversicherungsordnung.
Ein fast übergroßer Reichtum an gesetzgeberischer Arbeit erfüllt das letzte Viertel-
jahrhundert deutschen Lebens. Das „kervet opus“, das dieses deutsche Leben kennzeichnet,
hat eine Fülle neuer Probleme gestellt, an deren Lösung die gesetzgebenden Faktoren
des Reiches ein gewaltiges Maß von Arbeit gewendet haben. Der Geschichtsschreiber
dieser Zeit wird der Reichsregierung und dem Reichstag gerechterweise das Zeugnis
geben müssen, daß im ersten Vierteljahrhundert der Regierung Kaiser Wilhelms des IEI.
eine gesetzgeberische Arbeit von einem Umfang und einer Bedeutung bewältigt worden
ist, wie — ausgenommen nur die Gründung des Reiches selbst — in keiner Zeitepoche
des deutschen Volkslebens je zuvor. Diese Gesetzgebung war und ist Ursache und Folge
zugleich des ungeheuren Aufschwunges des gesamten deutschen Arbeits- und Erwerbs-
lebens, der seinen äußeren und inneren Grund hat in der Aufrichtung des Deutschen
Reiches.
II. Preußen.
Die Preußische Verfassungsurkunde und die Grundlagen des Staates.
Die Verfassungsurkunde des preußischen Staates, wie sie als Abschluß der Be-
wegungen des Fahres 1848 am 31. Fanuar 1850 von Friedrich Wilhelm IV. als Grund-
gesetz des Staates gegeben und verkündigt wurde, hat bis heute eine große und grund-
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