Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Erster Band. (1)

  
34 Staats- und Verwaltungerecht. 11. Buch 
  
Maßgabe gesetzlicher Vorschriften. Der Abschluß bei der Generalstaatskasse hat inner- 
halb dreier Monate nach Schluß des Etatsjahres zu erfolgen; die übernahme von Aus- 
gaben und Einnahmen in das folgende Etatsjahr kann nur nach Maßgabe der hierfür 
gegebenen gesetzlichen Vorschriften geschehen. Nach Abschluß des Etatsjahres ist dem 
Landtag eine Ubersicht aller wirklich gemachten Einnahmen und Ausgaben, nebst Mit- 
teilung der Etatsüberschreitungen und der außeretatsmäßigen Ausgaben, vorzulegen. 
Das gesamte die Feststellung und Ausführung des Staatshauzhaltsgesetzes betreffende 
Material ist sodann der Oberrechnungskammer zu überweisen behufs der ihr durch 
A##rt. 104 verfassungsmäßig übertragenen Prüfung, auf Grund deren die verfassungs- 
mäßige Entlastung zu geschehen hat. Die näheren Vorschriften für diese Tätigkeit der 
Oberrechnungskammer — wbistorisch eines der größten Erbstücke des großen Verwaltungs- 
königs Friedrich Wilhelm 1. — sind in der älteren Gesetzgebung (1872) enthalten; ein 
Sondergesetz von 1912 ergänzt die älteren Vorschriften insofern, als Rechnungen von 
geringer Bedeutung nicht regelmäßig geprüft zu werden brauchen, geringe Beträge 
niedergeschlagen werden dürfen und der Begriff der „Etatsüberschreitung“ gesetzlich fest 
umgrenzt wird. 
Der in der Wissenschaft so heftig geführte Streit, ob der Staatshaushalt nur „for- 
mell“ Gesetz oder voll wirksames „materielles“ Gesetz mit allen Rechtswirkungen eines 
solchen sei, ist durch die oben skizzierte Gesetzgebung im letzteren Sinne entschieden: die 
den Staatshaushalt ausführenden Staatsorgane sind an das erlassene Gesetz rechtlich 
gebunden und die hieraus sich ergebenden rechtlichen Wirkungen sind im einzelnen durch 
den Gesetzgeber so genau, als dies nach der Natur der Dinge möglich ist, festgelegt worden. 
4. Staatsgebiet. Hinsichtlich des Staatsgebietes ist lediglich zu bemerken, daß 
die von England dem Deutschen Reiche abgetretene Insel Helgo- 
land mit Preußen und zwar mit der Provinz Schleswig-Holstein vereinigt wurde 
(1890—1891), und daß an den Grenzen gegen fremde Staaten sowohl wie gegen an- 
dere deutsche Staaten mehrfach Gebietsveränderungen von geringer Bedeutung erfolgten. 
Zn diesem Zusammenhange sei auch erwähnt, daß 1892 die Aufhebung der Beschlag- 
nahme des Vermögens des vormals hannöverschen Königshauses und die Rückgabe 
dieses Bermögens an die Erben des Königs Georg V. erfolgte. 
  
s. Auswärtiges. — Waldeck. Die auswärtigen Angelegenheiten Preußens sind fast 
vollständig im Reiche aufgegangen; nur die Gesandt- 
schaft beim päpstlichen Stuhle ist preußische Gesandtschaft, die einzige im Ausland, ver- 
blieben. Außerdem hat Preußen zahlreiche Staatsverträge über Eisenbahnen in den 
Grenzgebieten mit fremden Staaten abgeschlossen. Mit den nord- und mitteldeutschen 
Kleinstaaten hat Preußen die bereits früher eingeleitete Politik fortgesetzt, den deutschen 
Kleinstaaten durch Staatsverträge preußische Staatseinrichtungen in umfassender Weise 
zur Verfügung zu stellen; es ist dies für die verschiedensten Staatsaufgaben geschehen, 
teilweise auch in der Form der Errichtung gemeinsamer Behörden (Rechtspflege, Zoll- 
wesen). Die umfassendste staatsrechtliche Gestaltung dieses Gedankens enthält der Staats- 
  
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