Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Erster Band. (1)

  
II. Buch. Die Selbstverwaltung. 59 
  
heilstätten mögen nur einige der hauptsächlichsten Bestrebungen andeuten, die mehr oder 
weniger ausschließlich zu neuen umfassenden Arbeitsgebieten der Selbstverwaltung ge- 
worden sind, und auf denen sie vielfach mit vorbildlichen Schöpfungen im Oienste der 
leidenden und pflegebedürftigen Menschheit vorgegangen ist. Solchen Bestrebungen 
nahe verwandt, sind die mannigfachen Maßregeln im Interesse der allgemeinen Für- 
sorge für die arbeitende Klasse, wobei hier von der weiter unten zu erörternden Tätig- 
keit der Selbstverwaltung als Arbeitgeberin abgesehen werden soll. Es sei hier nur auf 
Veranstaltungen wie Arbeiter-Schutz- und Wärmehallen, Volksküchen, Volksheime, 
Rechtsauskunftstellen, Arbeitsnachweise, die Beschaffung von Arbeitsgelegenheit für 
Arbeitslose, ja die mannigfachen Versuche mit der Schaffung einer Arbeitslosen-Ver- 
sicherung hingewiesen. 
Schulwesen. Und dieselbe Erscheinung einer außerordentlichen Arbeitsvermehrung, 
in die Breite wie in die Tiefe, finden wir auf dem nicht minder bedeut- 
samen, die Selbstverwaltung materiell sicher am stärksten beanspruchenden Verwaltungs- 
gebiete, dem öffentlichen Schulwesen. Neben die Sorge für die höheren Schulen und 
die allgemeine Volksschule trat einerseits die Fürsorge für eine neue, sich allmählich immer 
weiter ausbreitende Schulgattung, die Mittelschule, die ihren Zöglingen zu dem Wissen 
der Volksschule noch die Kenntnis einer oder mehrerer fremder Sprachen verschaffen 
soll. Außerdem nahmen die Arten der höheren Lehranstalten, mit der verstärkten Bedeu- 
tung und dadurch vermehrten Schaffung von Oberrealschulen und Realschulen, mit den 
Reformgymnasien und Realgymnasien, in neuester Zeit auch der weiteren Ausgestaltung 
der höheren Mädchenschulen — mit Frauenschule, Lpzeum, Oberlyzeum, Seminar und 
Ubungsschule — in nicht geringem Umfange zu. Die allgemeine Volksschule anderer- 
seits, von jeher ein Gegenstand besonderer Pflege der Selbstverwaltung, konnte nicht 
nur innerlich durch stete Erweiterung ihres Lehrziels und fortschreitende Berücksichtigung 
der Eigenart der Schüler wesentlich gefördert werden, sondern hat auch äußerlich ganz 
außerordentliche Fortschritte zu verzeichnen gehabt. Handarbeits-, Handfertigkeits- und 
Werkunterricht, Koch- und Haushaltungsunterricht, Sonderklassen für Schwachbe- 
fähigte, wie Hilfsschulen, Schulärzte und Waldschulen, mögen als Beispiel für die Fort- 
schritte der inneren, Turnhallen und Zugendspielplätze, Brausebäder, belehrender und 
anregender Bild- und Wandschmuck in den äußerlich ansprechenden, mit hohen, luftigen, 
gut belichteten Klassen, guten Büchereien und Lehrmittelsammlungen, geräumigen 
Schulhöfen und Schulgärten versehenen Schulhäusern, als Merkmale der großen Ver- 
besserungen der äußeren Schuleinrichtungen hervorgehoben werden. Volksbibliothe-- 
ken, Lesehallen und Stadtbüchereien schließen sich als in derselben Richtung liegende 
Fortschritte an. Mit besonderem Stolze darf ferner die Selbstverwaltung auf das recht 
eigentlich aus ihr heraus immer segensreicher erwachsene gewerbliche Fortbildungs- 
schulwesen blicken. Dazu berufen, der der Volksschule entwachsenen Zugend in der 
Zeit vom 14. bis zum vollendeten 18. Jahre die notwendigen Kenntnisse für das Berufs- 
wie das allgemein-bürgerliche Leben zu vermitteln, hat sich die Fortbildungsschule zu- 
gleich in immer steigendem Maße zu einem wesentlichen Mittelpunkte auch für die sonstige 
  
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