II. Buch. Die Selbstverwaltung. 61
allem finanzielle — mehr oder weniger entscheidend in Betracht kommen. Wenn auf
diesen schwierigen und vielumstrittenen Gebieten des öffentlichen Lebens die Ansichten
in einzelnen Beziehungen sich allmählich zu Mären beginnen, so darf die Selbstverwaltung
jedenfalls für sich das Verdienst in Anspruch nehmen, in jahrzehntelanger praktischer
Arbeit ihrerseits entscheidend dazu mit beigetragen zu haben. Denn auch die neuerdings
in der Vorbereitung befindlichen gesetzgeberischen Pläne wegen allgemeiner Einrichtung
amtlicher Wohnungsaufsicht und Wohnungsämter lehnen sich lediglich an die in dieser Be-
ziehung von der Selbstverwaltung seit langem gemachten Versuche und Erfahrungen an.
Wirtschaftliche Betriebe. Kann es auch nicht Aufgabe dieser Abhandlung sein,
— die aus mannigfachen Gesichtspunkten überaus inter-
essante Entwickelung aller Tätigkeitsgebiete der Selbstverwaltung im einzelnen dar-
zustellen, so muß doch hier zum Schlusse ihrer eigenen wirtschaftlichen Unter-
nehmungen noch mit wenigen Worten gedacht werden. Denn gerade die bei ihnen
gewonnenen Erfahrungen haben zu mancherlei wichtigen neuen Erörterungen und Er-
scheinungen geführt.
Die wirtschaftlichen Betriebe der Selbstverwaltung, welche ihren Ausgang zumeist
von den Anlagen zur Ent- und Bewässerung und namentlich Beleuchtung genommen
haben, sind in den letzten 25 Zahren unter dem Einfluß der großen technischen Fort-
schritte sowohl infolge der veränderten sozialwirtschaftlichen Auffassungen, als auch aus
überwiegend finanziellen Gesichtspunkten ganz außerordentlich vermehrt worden. Zu
ihren früheren Gas-, Wasser- und Kanalisationswerken, mit den sich an letztere etwa
notgedrungen anschließenden Rieselgütern treten einerseits, mehr aus sanitären als
wirtschaftlichen Beweggründen die Schlacht- und Viehhöfe, sodann aber, infolge der
überraschenden Fortschritte der Elektrizitätsanwendung, zum Teil auch als Folge des
Konkurrenzkampfes zwischen Gas und Elektrizität, die öffentlichen Elektrizitätswerke,
Straßen- und Vorortbahnen aller Art — Hoch- und Untergrund- und Schwebebahnen
— Hafenanlagen, Hypothekenanstalten, aber auch Badeanstalten, Theater, Apotheken,
Weinberge, Weinkellereien usw. Grundsätzlich blieb kein Gegenstand privatwirt-
schaftlichen Betriebes von der Selbstverwaltungs-Wirtschaft ausgeschlossen, wenn auch
die Anschauungen über deren Zweckmäßigkeit begreiflicherweise auseinandergingen und
auch noch -gehen. Wie laut und vielseitig aber z. B. unter dem Eindruck der in den letzten
Jahren außerordentlich gestiegenen Fleischpreise die „Versorgung der Bevölkerung mit
Fleisch“ als eine mindestens zeitweilige Aufgabe der Selbstverwaltung in Teuerungs-
zeiten gefordert wurde, mag hier ebenso erwähnt werden, wie die Tatsache, daß diesem
Verlangen verschiedentlich, von einer deutschen Stadt sogar durch die Errichtung einer
eigenen Schweinemastanstalt, auch stattgegeben worden ist.
Zentralisation und Dezentralisation Die vorstehend in Kürze versuchte UÜber-
Vereinfachung und Beschleunigung sicht über die weitgreifende Entwickelung
der Verwaltung einiger wichtiger Verwaltungsgebiete der
Selbstverwaltung wird es begreiflich er-
197