Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Erster Band. (1)

  
II. Buch. Die Selbstrerwaltung. 65 
  
mitteln in die Hand nehmen, unter voller Wahrung einer gesetzlich geregelten Ausein- 
andersetzung der Verhältnisse aller Beteiligten. 
Bisherige gesetzgeberische Versuche. Der in Preußen bereits in der Landge- 
meindeordnung von 1892 unternommene 
und vor kurzem, 1911, trotz des lebhaftesten Widerspruches fast aller Vertreter der Selbst- 
verwaltung erneute Versuch, die hier erörterte Frage durch die Bildung sogenannter 
„Zweckverbände“ zu lösen, zu denen die verschiedenen Arten von Selbstverwaltungs- 
körpern — „behufs Erfüllung einzelner kommunaler Aufgaben jeder #2rt“ verbunden 
werden können, hat mindestens bisher irgendwelche Erfolge nicht aufzuweisen. Und 
der gleichzeitig für Groß-Berlin zur gemeinsamen Erfüllung einzelner Aufgaben: 
— Regelung des Verhältnisses zu öffentlichen auf Schienen betriebenen Trans- 
portanstalten mit Ausnahme der Staatsbahnen; Beteiligung an der Feststellung der 
Fluchtlinien- und Bebauungspläne für das Verbandsgebiet und Mitwirkung an 
dem Erlasse von Baupolizeiverordnungen; Erwerbung und Erhaltung größerer 
von der Bebauung freizuhaltender Flächen — 
gesetzlich begründete Zweckverband wird nach der ganzen Art seiner Organisation zur 
Behebung der in seinem Gebiete vorhandenen zahlreichen Verwaltungsgegensätze, ja 
— Ungereimtheiten kaum etwas beitragen können. 
Wirkliche Lösungen großer Entwickelungsfragen werden immer nur dann gelingen, 
wenn sie von großzügigem Vertrauen in die zu regelnden Verhältnisse getragen sind; 
wie es der Schöpfer der Selbstverwaltung denen entgegenbrachte, die er zu ihrer Hand- 
habung berief, obgleich sie bisher keinerlei Gelegenheit zur Betätigung eigener Ver- 
waltungskunst gehabt hatten. An solchem Vertrauen hat es bei den letzterwähnten ge- 
setzgeberischen Versuchen leider gemangelt, obgleich seitdem die Selbstverwaltung ihren 
Befähigungsnachweis zur Lösung auch schwieriger Aufgaben wohl als erbracht an- 
sehen darf. — 
  
Stellung des Staates zur Das führt uns in der Rückschau auf die letzten 25 
Zahre dazu, noch der Stellung des Staates zur 
Selbstverwaltung kurz zu gedenken. Sie ist, wie 
schon aus dem bisher Erörterten zum Teil hervorgeht, von merkwürdigen Widersprüchen 
nicht frei gewesen. 
Gewiß ist die hohe Bedeutung der Selbstverwaltung für unser gesamtes Staats- 
wesen öffentlich bisher noch niemals etwa bestritten worden. Mit freudigem und dank- 
barem Stolz durften im Gegenteil die im Jahre 1908 zur Jahrhundertfeier der Stein- 
schen Städteordnung in ihrer Geburtsstadt versammelten Vertreter der preußischen 
Städte in dem GElückwunschgruß ihres Kaisers und Königs die Worte vernehmen: 
„...Wie die gewaltigen Erfolge städtischer Selbstverwaltung im verflossenen 
Jahrhundert beweisen, haben sich die preußischen Bürgerstände dieser Aufgabe ge- 
wachsen, dieses Vertrauens würdig gezeigt.“ 
Auch die Herrscher der anderen deutschen Bundesstaaten und die Vertreter der 
  
Selbstverwaltung. 
  
201
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.