Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Erster Band. (1)

  
II. Buch. Die Reichsversicherung. 83 
  
Dem deutschen Arbeiterstande waren also bis 1911 zugute gekommen und für die 
Sicherung seiner Zukunft hinterlegt zusammen beinahe zwölf Milliarden Mark. 
Beitragsleistung. Ubersieht man jene vom Recht gewährten Möglichkeiten und 
die zahlenmäßige Höhe der Wohltaten, so drängen sich be- 
sonders zwei Fragen auf: wer die Kosten aufgebracht und aufzubringen hat und welchen 
Fortschritt die Sozialversicherung gegenüber der Zeit vor ihrer Einführung dartstellt. 
  
Die Beiträge der Krankenversicherung 
zahlen die Versicherten zu zwei Drittel, 
die Arbeitgeber zu ein Drittel. 1911 betrugen die Beiträge der Arbeitgeber 159 Mill. Mark, 
die der Versicherten 288 Mill. Mark; die entsprechenden Zahlen sind für die Zeit von 
1885 bis 1911 2885 und 3555 Mill. Mark. Die Kosten der Unfallversicherung zahlen 
lediglich die Arbeitgeber. Sie betrugen 1911 197 Millionen, in der Zeit von 1885 bis 
1911 2592 Mill. Mark. Es ist freilich nicht zu übersehen, daß die Krankenversicherung 
auch für die ersten 15 Wochen bei einer durch Unfall herbeigeführten Krankheit eintritt, 
daher auch die Beiträge der Versicherten die Last insofern mittragen. 
a) Kranken- und Unfallversicherung. 
  
b) Snvaliden- und Die Kosten der Invaliden- und Hinterbliebenen- 
versicherung fallen, von dem Reichszuschuß ab- 
gesehen, den Arbeitgebern und Arbeitern je zur 
Hälfte zur Last. Es kamen auf das Reich 1911 53 Mill. Mark, auf die Arbeiter 105 Mill. 
Mark, auf die Arbeitgeber ebensoviel Millionen Mark, zusammen 263 Mill. Mark. Die 
entsprechenden Zahlen für die Zeit von 1885 bis 1911 sind 693, 1475, 1475, insge- 
samt 3643 Mill. Mark. 
Die Kosten der Arbeiterversicherung haben demnach getragen im Jahre 1911 die 
Arbeitgeber mit 442, die Versicherten mit 395 und das Reich mit 53 Mill. Mark. Für 
die Jahre 1885 bis 1911 ergeben sich die Zahlen 5688, 5050 und 695 Mill. Mark. Bis 
1911 haben die deutschen Arbeiter rund 5 Milliarden an Beiträgen aufgebracht, be- 
zogen haben sie weit mehr als 9 Milliarden Mark, für sie reserviert sind beinahe 
2,7 Milliarden Mark. 
  
Hinterbliebenenversicherung. 
  
Was den Unterschied zwischen der Zeit vor der 
Sozialversicherung und nachher angeht, so ent- 
behrten die Arbeiter die Krankenversicherung sehr. 
Aur ein ganz lleiner Bruchteil sorgte im Wege der Freiwilligkeit für sich im Falle der 
Krankheit. Die Unfallfürsorge war vollkommen unzureichend. Insbesondere das Haft- 
Ppflichtgesetz, so wertvoll es im übrigen ist, entsprach nicht im entferntesten den berech- 
tigten Ansprüchen des sozialpolitischen Gedankens. Schadenersatz wurde nur gewährt, 
wenn die Unfälle sich bei einem Betriebe ereignet hatten; die Arbeiter mußten ihre 
Ansprüche im ordentlichen Rechtswege gegen wichtige Gegner durchsetzen; sie mußten 
sich den Einwand der höheren Gewalt und des eigenen Berschuldens entgegenhalten 
c) Bedeutung der Leistungen 
der Sozialversicherung. 
  
  
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