84 Die Reichsversicherung. II. Buch.
lassen, mußten den Kausalzusammenhang zwischen Schadenersatz und Verschuldung des
Unternehmers oder seiner Beauftragten nachweisen. Bei Zufall oder unabwendbaren
Naturereignissen, bei Verschulden eines anderen Arbeiters oder einer vom Unternehmer
angestellten Person war daher überhaupt kein Schutz vorhanden. Das Haftpflichtgesetz
galt auch nicht für alle Arbeiter. Ausgeschlossen waren die im Baugewerbe, im Hand-
werksbetriebe, in der Regel auch die in der Land- und Forstwirtschaft beschäftigten
Personen. Für die Invalidenversicherung war überhaupt kein entsprechender Fürsorge-
ansatz in der bisherigen deutschen Gesetzgebung vorhanden.
Daeselbe gilt von der Angestelltenversicherung, deren
Vorteile noch anzudeuten sind. Zunächst ist auch hier
dem vorbeugenden Heilverfahren eine große Rolle
zur Verhütung drohender und Beseitigung schon vorhandener Berufsunfähigkeit,
auch der Wiederherstellung verlorener Berufsfähigkeit zugedacht, wobei Unterbringung
in ein Krankenhaus oder Genesungsheim möglich ist; dann aber stehen in erster Reihe
Ruhegeld und Hinterbliebenenrente. JFenes ist gebunden an die Erfüllung einer Warte-
zeit, Aufrechterhaltung der Anwartschaft und Vollendung des 65. Lebensjahres, sowie an
den Eintritt der Berufsunfähigkeit. Diese letztere ist nach dem Gesetz anzunehmen,
wenn die Arbeitsfähigkeit auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich
und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen
Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Die Höhe des Ruhegeldes kann recht
ansehnlich werden. Es beträgt nach Ablauf von 120 Beitragsmonaten ein Viertel der
in dieser Zeit entrichteteen Beiträge und ein Achtel der übrigen Beiträge. Auch die Hinter-
bliebenen — Witwen, Waisen, möglicherweise der Witwer — sollen eine Rente erhalten.
Im Gegensatz zur Invaliden- und Hinterbliebenenversicherung wird man hier die durch-
schnittliche Höhe der Renten als besonders erfreulich ansehen dürfen. Ziffermäßige
Nachweise zu geben ist, da das Gesetz erst am 1. Zanuar 1913 in Wirksamkeit getreten
ist, nicht möglich. Die Beiträge bringen Arbeitgeber und Bersicherte auf, immerhin in
der Höhe von etwa 8% des versicherten Einkommens; ein Reichszuschuß ist nicht vorge-
sehen.
d) Leistungen der
Angestelltenversicherung.
Es entsteht eine schicksalsschwere Frage, ob
die Lasten der Sozialversicherung nicht für
das Unternehmertum in Handel, Industrie
und Landwirtschaft zu schwer und bei der internationalen Konkurrenz gefährlich sind
oder werden können. Die Kosten der Unfallversicherung trägt (mit einer bezeichneten
geringen Ausnahme) die Arbeitgeberschaft allein, an der Krankenversicherung ist sie
mit ein Drittel, an der Invaliden-, Hinterbliebenen- und Angestelltenversicherung
je mit der Hälfte beteiligt. Hinzu kommt noch, daß in manchen Gewerbszweigen,
teils infolge der Lohnverhältnisse und des geringen Angebots von gualifizierten
Arbeitern, teils freiwillig bei einzelnen Berufen, wie im häuslichen Dienst, viel-
fach auch die Arbeiterbeiträge von dem Unternehmer übernommen werden. In
Belastung des Unternehmertums.
Konkurrenzfähigkeit.
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