20 · Auswärtige Politik. I. Buch.
wurde ein solches Vorgehen gegen ODeutschland wiederholt gefordert. Der Cidillord der
Admiralität Mr. Arthur Lee erklärte am 3. Februar 1905 in öffentlicher Rede, man müsse
die Augen auf die Nordsee richten, die britische Flotte in der Nordsee sammeln und im
Kriegsfalle „den ersten Schlag führen, bevor die andere Partei Zeit finden würde, in
den Zeitungen zu lesen, daß der Krieg erklärt ist“. Diese Auslassung unterstrich der
„Dailpy Chronicle“ mit den Worten: „Wenn die deutsche Flotte 1904 im Oktober zer-
stört worden wäre, würden wir in Europa für sechzig Jahre Frieden gehabt haben.
Aus diesen Gründen halten wir die Außerungen von Mr. Arthur Lee, angenommen,
daß sie im Auftrage des Kabinetts erfolgten, für eine weise und friedfertige Er-
klärung der unwandelbaren Absicht der Herrin der Meere.“ Im Herbst 1904 hatte die
Army and Na#### Gazette ausgeführt, wie unerträglich es sei, daß England allein durch
das Vorhandensein der deutschen Flotte dazu gezwungen werde, Vorsichtsmaßregeln zu
treffen, deren es sonst nicht bedürfen würde. „Wir haben“, hieß es in diesem Artikel,
„schon einmal einer Flotte das Lebenslicht ausblasen müssen, von der wir Grunk hatten
zu glauben, daß sie zu unserem Schaden verwendet werden könnte. Es fehlt in England
wie auf dem Festlande nicht an Leuten, die die deutsche Flotte für die einzige und wirkliche
Bedrohung der Erhaltung des Friedens in Europa halten. Sei dem, wie es wolle, wir
begnügen uns damit, darauf hinzuweisen, daß der gegenwärtige Augenblick besonders
günstig ist für unsere Forderung, daß diese Flotte nicht weiter vergrößert werde.“
Um dieselbe Zeit schrieb eine angesehene englische Revue: „Wenn die deutsche Flotte
vernichtet würde, wäre der Friede Europas auf zwei Generationen gesichert; England
und Frankreich oder England und die Vereinigten Staaten oder alle drei würden die
Freiheit der Meere verbürgen und den Bau neuer Schiffe verhindern, die in den Händen
ehrgeiziger Mächte mit wachsender Bevölkerung und ohne Kolonien gefährliche Waffen
sind.“ Gerade um diese Zeit, im Herbst 1904 schickte Frankreich sich an, uns in Marokko
zu brüskieren. Einige Monate vorher, im Zuni 1904, hatte ein französischer Publizist
mir erzählt, der Bau unserer Flotte rufe in weiten englischen Kreisen große und
wachsende Unruhe hervor. Man sei sich dort noch nicht im klaren darüber, wie die
Fortführung unserer Schiffsbauten zu verhindern sei, ob durch direkte Vorstellungen
oder durch Begünstigung der chaupinistischen Elemente in Frankreich. Heute läßt uns
England als Seemacht gelten, als die stärkste Seemacht nach sich selbst. Als im
Winter 1909 ein englischer Parlamentsredner die Tatsache feststellte, daß England nicht
nötig haben würde, so fieberhaft zur See zu rüsten, wenn es zehn Jahre zuvor das
Aufkommen der deutschen Seemacht verhindert hätte, sprach er einen Gedanken aus,
der vom Standpunkt reiner Machtpolitik begreiflich und vielleicht zutreffend ist. Die
Gelegenheit, eine werdende Flotte im Keime zu ersticken, die England in früheren Zeiten
und gegen andere Länder wiederholt wahrnahm, hätte es aber Deutschland gegenüber
nicht finden können, da wir nicht die Flanke boten.
Die Friedlichkeit deutscher Weltpolitit. Die Flotte, die wir uns seit 1897
geschaffen haben und die uns, freilich
in weitem Abstande von England, zur zweiten Seemacht der Erde macht, sichert uns die Mög-
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