108 Finanzen und Steuern. II. Bach.
Betriebsergebnisse der Reichspost einen glänzenden Aufschwung genommen; die Rohein-
nahmen betrugen gleich nach der Reichsgründung rund 100, 1888/89: 201,12, im Jahre
1913 dagegen 842,37 Mill. NM., seine Reineinnahmen sind in dieser Zeit von 14,05 und
31,72 auf 112,84 Mill. M. gestiegen. Aber im Vergleich zur Größe der gesamten fortlaufen-
den Einnahmen sind diese Neineinnahmen nicht allzu bedeutend, und zudem stehen ihnen
auch recht erhebliche Schuldzinsen und einmalige und außerordentliche Ausgaben gegen-
über, die z. B. in den letzten fünf Jahren 1908—1912: 316,63 oder durchschnittlich
635½ Mill. M. im Jahre betragen. Der Plan des Fürsten Biemarck, die Eisenbahnen
auf das Reich zu übernehmen, scheiterte an dem Widerspruch der Bundesregierungen
und des Reichstags, obwohl gewichtige verkehrspolitische und finanzielle Gründe dafür
sprachen. Um wieviel besser wäre es heute um unsere Reichsfinanzen bestellt, wenn der
Plan sich hätte verwirklichen lassen. Uber 520 Mill. M. Reineinkünfte zieht der preußische
Staat zurzeit aus den Eisenbahnen. So hat das Reich nur die Einkünfte aus den elsaß-
lothringischen Keichsbahnen und der Wilhelm-Luxemburg-Bahn, die 1872 brutto 25,20,
1888/89: 50,7, 1915: 153,78 Mill. M. betrugen, während die Reinerträge dieser Jahre
sich auf 5,55, 20,34 und 31,59 belaufen. Aber auch diesem Reinertrage stehen erhebliche
einmalige und außerordentliche Ausgaben gegenüber, die 1908—12 nahezu 108, also
jährlich über 20 Mill. M. betrugen, und sie mindern sich um den Betrag der Schuldzinsen,
die auf Konto der Eisenbahnen entfallen. Die UÜbernahme des Notenbankwesens auf
das Reich unterblieb aus Gründen, die nicht für unberechtigt gelten können. Dagegen hat
sich das Neich von der 1875 gegründeten NReichsbank einen Gewinnanteil gesichert, der
von rund 2 Mill. M. im Jahre 1876/77 infolge der günstigen Entwicklung dieses Instituts
auf 15,26 Mill. M. im JZahre 1813 gestiegen ist. Die Einnahmen aus der Reichs-
druckerei die zuerst im Jahre 1878/79 im Reichshaushalt erscheinen, ergaben 1888:
1,375 und 1913: 3,191 Mill. M. netto.
Was die Reichssteuern betrifft, so war eine
schwierige und dornenvolle Arbeit zu
leisten, bis ihre heutige Ergiebigkeit erreicht war. Schon die Fassung des Artikels der
Reichsverfassung, wonach Matrikularbeiträge auszuschreiben sind, solange Reichssteuern
nicht eingeführt sind, war keine glückliche. Da die Matrikularbeiträge immer als sub-
sidiäre Deckungsmittel zur Verfügung standen, so war die Neigung, Reichssteuern ein-
zuführen, eine geringe. Dazu kam die Unklarheit über den Begriff „Reichssteuern“,
infolgedessen jedee Partei aus dem Worte herauslas, was sie wünschte. Die einen fanden,
daß darunter im Gegensatz zu den indirekten Verbrauchssteuern nur direkte Steuern zu
verstehen seien. Und zwar dachten die Vertreter des wirtschaftlichen Liberalismus,
die damals die Mehrheit im Reichstage hatten, an die allgemeine progressive Einkommen-
steuer, die nach englischem Muster alljährlich zu bewilligen wäre. Die Reichsregierung
selbst verstand darunter, wie die Folge zeigt, nur indirekte Steuern. Wieder andere
waren der Meinung, daß unter Reichssteuern im Gegensatze zu den bisherigen durch die
Bundesstaaten eingezogenen gemeinsamen Verbrauchssteuern solche zu verstehen seien,
die unmittelbar vom Reiche erhoben werden, gleichviel, welche Art von Steuern es sei.
Die Reichssteuern im allgemeinen.
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