II. Buch. Finanzen und Steuern. 113
und der Anteil der Bundesstaaten an der Reichserbschaftssteuer gekürzt. In verschiedenen
Sesetzen vom 15. Juli 1909 fand diese Reform ihren Ausklang. Prüft man sie auf ihr Er-
gebnis etwa nach der Rechnung von 1911, so findet man, daß auch sie die Erwartungen nicht
erfüllt hat. Statt der aus den neuen Steuern erhofften rund 420 Mill. M. sind 1911 nicht
ganz 300 Mill. M. angefallen, und nur die günstige Entwicklung anderer Einnahme-
duellen, namentlich der Zölle, und einige Minderausgaben haben den Bedarf zu decken
gestattet und sogar erhebliche Uberschüsse gebracht. Das Statsjahr 1911 schloß mit einem
Überschuß von 249, das Jahr 1912 mit einem solchen von 77 Mill. M. ab. Leider werden
diese Uberschüsse, statt zur außerordentlichen Schuldentilgung Verwendung zu finden,
wie dies den 1904 beschlossenen Grundsätzen entsprochen hätte, größtenteils von den neuen
Küstungsausgaben verschlungen. Ergänzend muß bemerkt werden, daß inzwischen die
Steuereinnahmen des Reiches eine Mehrung erfahren haben durch die durch Gesetz vom
24. Februar 1911 erfolgte Einführung einer Steuer vom unverdienten Wertzuwachs von
Grundstücken und Gebäuden, und daß die Branntweinsteuer, im Sinne oft geäußerter
Wünsche, durch Gesetz vom 14. Juni 1912 vereinfacht und von wesentlichen Mängeln
gereinigt worden ist.
Die neuen Wehroorlagen dieses Jahres mit dem Zahresbedarf von 186
und dem einmaligen Aufwand von rund 900 Mill. M. haben die Reichsregierung,
wie oben bereits erwähnt wurde, vor eine außerordentlich schwere Aufgabe in bezug
auf deren Deckung gestellt. Die rücksichtslose Ausnützung des Kredits in der bisherigen
Finanzgebarung ließ dessen weitere Beanspruchung untunlich erscheinen, zumal Anleihen
zurzeit nur unter schlechten Bedingungen hätten ausgenommen werden können. Eine
weitere Belastung des Verbrauchs hätte im Reichstage und den breiten Wählermassen
den größten Widerstand hervorgerufen. So blieb nichts übrig, als unter Preisgabe
alter Anschauungen und Gewohnheiten in die bisher geschonte Domäne der Einzel-
staaten einzufallen und den Versuch zu machen, mittels direkter Steuern den Bedarf
aufzubringen. Die Vorschläge der Regierung verdienen Anspruch auf das oft miß-
brauchte Wort „Großzügigkeit“. Die Berhandlungen, die um die Vorlagen geführt
wurden und der Inhalt der Hauptgesetze sind in der ÖOffentlichkeit so viel erörtert
worden, daß sich ein Eingehen in Einzelheiten erübrigt; nur die wesentlichsten Punkte
seien kurz skizziert.
Die einmalige Ausgabe von rund 900 Mill. M. soll durch den Wehrbeitrag
bestritten werden, einer einmaligen außerordentlichen Abgabe von allem Vermögens-
besitz von über 10 000 M. und von allem Einkommen von über 5000 Mk., soweit letz-
teres nicht schon als Ertrag von Vermögen getroffen ist. Beitragsfrei sind Möbel,
Hausrat u. dgl.; in gewissen Fällen treten Erleichterungen ein. Die Steuersätze sind
nach der Größe des Vermögens und Einkommens gestaffelt und bewegen sich dort
zwischen 0,15 und 1,5, hier zwischen 1 und 8%. ODie Entrichtung des Wehrbeitrags
ist auf die 3 Zahre 1914—1916 verteilt. Die Beranlagung und Erhebung obliegt den
Einzelstaaten. Die fortlaufenden Ausgaben mit 186 Mill. M. werden durch die sog.
Besitzsteuer aufgebracht, die alle 3 Jahre von der in diesem Zeitraum erfolgten
Vermögensmehrung zur Erhebung gelangt. Sie ist ihrem Wesen nach also eine
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